Gears of War – Das Brettspiel

Gears of War ist neben Halo das Action-Flaggschiff auf Microsofts Xbox 360 und hat sich dank testosteronschwitzender Überhelden im Schrankformat und Kettensägenbayonetten an Sturmgewehren einen Platz in den Herzen der Konsolengemeinschaft geschaffen. Da die Reihe enorme Erfolge feierte, war es nur naheliegend, das Ganze auch einmal in Brettspielform zu bringen. Und wer wäre dafür besser geeignet als Fantasy Flight Games, die mit Doom bereits einen sehr erfolgreichen Shooter erfolgreich auf den Tisch gebracht hatten. Und für die deutsche Ausgabe stand natürlich wieder der Heidelberger Spieleverlag Lancer bei Fuß. Die teutonische Version war so gefragt, dass sie auf der Spielmesse 2011 innerhalb kürzester Zeit ausverkauft war. Spricht ja schon einmal für Gears of War – Das Brettspiel.

Was leider viel zu selten bei Brettspielen beachtet wird, ist der Autor. Der Name Corey Konieczka ist klein unten links auf dem Cover zu finden und steht für Qualität. Der Amerikaner hatte mit Battlestar Galactica meines Erachtens eines der besten Brettspiele der letzten Jahre erschaffen und auch sein Todesengel-Kartenspiel wusste zu gefallen. Wenn man eine gemeinsame Linie in seinen Produkten finden möchte, so ist dies sicherlich die kooperative Komponente seiner Spiele und auch Gears of War – Das Brettspiel bildet da keine Ausnahme.

Bis zu vier KOR-Soldaten müssen sich gemeinsam in verschiedenen Missionen gegen die unendlichen Horden der Locust durchsetzen und Missionsziele erfüllen. Dabei steht jedoch kein Spieler als Gegner parat, sondern die Feinde der Menschheit werden am Ende jedes Zuges durch KI-Karten aktiviert. Doch der Reihe nach.

Wenn man die schwere Box das erste Mal öffnet, pfeift man üblicherweise erst einmal anerkennend durch die Zähne. Eine Menge Pappmarker für Munition, verwundete Gegner und Türen müssen ausgestanzt werden, ebenso wie einige beidseitig bedruckte Bodenplatten, aus denen die Missionsebenen generiert werden. 38 kleine und 168 große Spielkarten runden dann neben fünf Angriffs- und vier Verteidigungswürfeln die Ausstattung ab.

Und 32 Plastikfiguren, von denen die vier roten die KOR-Soldaten der Spieler abdecken und der Rest die fiesen Locust. Die vier Soldaten-Figuren (Marcus Fenix, Dominic Santiago, Augustus Cole und Damon Baird; trotz Coverabbildung ist leider keiner der Carmines spielbar) sind leider im Spielverlauf bis auf Cole kaum unterscheidbar, da sie sehr ähnliche Posen einnehmen. Die Locust teilen sich in sechs Drohnen, sechs Kriecher, sechs Zecken, drei Boomer, drei Theron-Wachen, drei Kantus und eine Berserkerin auf.

Und meine Güte, sind die Figuren fantastisch! Auch wenn bei meiner Ausgabe nicht alle Figuren perfekt zusammengeklebt wurden, so sind Detailgrad und Gussqualität der Weichgummi-Miniaturen wahnsinnig gut und lassen selbst einige Metallfiguren aktueller Hersteller hinter sich. Auch wenn 32 Figuren im Vergleich zu anderen Spielen von FFG wenig erscheint, so gleichen sie dies doch durch die Qualität mehr als aus. Und selbst wenn man nur die Figuren möchte, so kosten sie einen mit Kauf der Box weniger als 2 € pro Mini. Da kann man keinesfalls meckern!

Sobald man sich für eine der sechs Missionen oder den Horde-Modus entschieden hat, sortiert man einige Karten zusammen, jeder der bis zu vier Spieler wählt einen Soldaten, nimmt sich die entsprechenden Waffenkarten und Munitionsmarker und sortiert die passenden Bodenplatten raus. Dabei sind nur die Bodenplatten vorgegeben, nicht deren Anordnung. Diese wird durch zufälliges Ziehen der passenden kleinen Karten bestimmt, so dass sich selbst die gleiche Mission durch unterschiedliche Anordnungen anders spielt und andere Taktiken erfordert.

Jeder der KOR-Soldaten verfügt über andere Ausrüstung, Munitionsmarker und eine Spezialfähigkeit. So kann Baird eine Waffe mehr tragen als die anderen und Marcus Fenix hat acht Karten auf der Hand statt sieben wie der Rest. Das ist wirklich wichtig, denn die Handkarten stellen nicht nur die möglichen Aktionen von „Bewege dich vier Felder und greife an“ bis „attackiere drei Mal in deinem Feld“, sondern auch die Sondermanöver wie Reaktion auf Gegner oder dem Folgen eines anderen Spielers. Bewegung ist sehr wichtig, auch wenn Angriffe zunächst als ultimative Lösung wirken. Auf der Karte sind Deckungen zu finden, die enorm wichtig sind, da sie Verteidigungswürfel verschaffen und die Abwehr eines Soldaten bis zu verdreifachen können. Allerdings gilt das auch für die Gegner, weswegen diese Positionen hart umkämpft sind. Neben dem Stellungskampf muss man aber dennoch Missionsziele erfüllen, wofür man oftmals geradezu über die Karten rennen muss, da sich sonst zu viele Feinde ansammeln.

Jedes Mal, wenn eine Handkarte gespielt wird, muss man sie ablegen. Das knifflige daran ist nun, dass diese Handkarten auch die Lebenspunkte des Charakters darstellen! Zwar kann man zu Beginn seines Zuges zwei Karten nachziehen, doch wenn man zu Beginn eine Karte spielen muss um zu handeln und nur einmal reagiert, dann bleibt man damit gerade mal auf dem gleichen Stand und heilt sich nicht. Jede Waffe ist zudem mit Munitionsmarkern ausgestattet, die sich nur selten auffrischen lassen. Zwar ist ein Angriff auch ohne Marker möglich, doch ist dieser weit weniger effektiv.

Angriffe werden durch einen einzelnen Wurf abgehandelt, der sich aus Angriffs- und Verteidigungswürfeln zusammensetzt. Kommen mehr Treffer- als Verteidigungssymbole zusammen, so erleidet das Ziel Schaden. Die Soldaten werfen Handkarten ab, bei den Feinden gilt es eine Verwundungsschwelle zu erreichen. Klappt das nicht, so kann der Feind zumindest verwundet werden und erhält einen entsprechenden Marker, der unter die Figur gelegt wird. Dieser Marker zeigt die neue Verwundungsschwelle an, was es einfacher macht, die Figur bei weiteren Angriffen auszuschalten. Zudem zeigt der Marker auch beim Umdrehen nach dem „fraggen“ der Figur an, ob der Feind eine Knarre fallen lässt, die man mitsamt Munition aufnehmen kann.

Sobald der eigene Zug beendet wurde, zieht man eine KI-Karte und führt die entsprechenden Anweisungen aus. Das kann heißen, dass man Munition verliert, dass alle Gegner eines Typs näher kommen, angreifen oder neue an Locust-Löchern entstehen, die auf jedem Kartenteil zu finden sind. Durch diese Mechanismen wird man konstant unter Druck gesetzt. Die Handkarten sind immer knapp, die Munition will sparsam eingesetzt werden, die Gegnerhorden sind ständig hinter einem her.

Dadurch wird Gears of War – Das Brettspiel fordernd. Sehr fordernd. Bei den meisten unserer Testspiele wurden die Soldaten schnell ausgeschaltet, was jedoch nicht heißt, dass der Spieler dann raus ist. Vielmehr kann er verblutend am Boden ein Feld weiterrobben und muss weiter die KI-Phase ausführen, so dass die Gefährlichkeit der Gegner nicht nachlässt, aber man nun einen Verbündeten weniger hat, um gegen sie zu kämpfen. Dadurch entsteht schnell eine Abwärtsspirale, die flott zum Vergeigen der Mission führen kann. Gears of War – Das Brettspiel ist nicht einfach zu bewältigen, aber nicht unfair. Wenn bei uns der letzte KOR-Soldat zu Boden ging, dann hörte man nie, dass das Spiel doof sei, sondern es ging direkt die Diskussion los, was man hätte anders machen können und sollen und die Spieler wollten es direkt noch einmal versuchen.

Auch wenn das nun alles richtig toll klingt, so gibt es doch ein paar Kritikpunkte. Die Ecken der Box haben trotz sorgsamen Transports schon gelitten, was für andere Boxen der Heidelberger trotz wiederholten Gebrauchs bislang nicht so festgestellt werden konnte. Das Regelbuch ist leider wie bei FFG-Spielen Tradition, nicht gerade toll und das erste Spiel wird vor allem dazu genutzt, viel nachzuschlagen und unklare Situationen zu klären. Dabei ist der Spielablauf eigentlich nicht schwierig und ab dem zweiten Spiel läuft es flüssig. Dennoch sollte FFG endlich mal Abhilfe schaffen, dass die erste Partie so verflucht unklar bleibt, selbst wenn die (umfangreichen) Regelbücher vorher gelesen wurden. Viele der KI-Karten sind speziell auf einen Feindtyp zugeschnitten und falls dieser nicht gerade auf der Karte ist, muss man eine neue ziehen, wenn keine andere Option angegeben ist. Das kann, zusammen mit den allgemeinen Karten, durchaus dazu führen, dass der aktive Spieler drei bis vier KI-Karten am Ende des Zuges ziehen und ausführen muss. Einige Missionen verlangen auch nach speziellen Feinden, für die zwar Wertekarten vorhanden sind, aber bestehende Figuren als Proxy herhalten müssen, was okay ist, aber auch mit weiteren Figuren hätte gelöst werden können. Auch die Missionen spielen sich recht ähnlich, von „Porzellanladen“ mal abgesehen, wo man die Berserkin nach draußen locken muss, um sie überhaupt attackieren zu können.

Wenn das Spiel nun trotz der Kritikpunkte gut funktioniert, wie ist denn die Umsetzung des Videospiels gelungen? Der Autor dieser Zeilen hat bereits die eine oder andere Stunde damit verbracht kooperativ Bodybuilder mit Hautproblemen und ihre monströsen Vettern in ihre blutigen Einzelteile zu zerlegen oder im Multiplayer von 10-jährigen Amerikanern peinlich auseinandergenommen zu werden. Viele Spielelemente, wie die wichtige Deckung, die verschiedenen Waffentypen, der brutale Nahkampf und selbst das Wegkriechen der Verblutenden sind sinnig in das Spielkonzept eingebunden. Daher würde ich sagen, dass die Umsetzung des Videospiels auf das Spielbrett sehr gut gelungen ist. Und wer möchte, kann Gears of War – Das Brettspiel sogar alleine spielen, auch wenn das vielleicht etwas traurig wirken mag. Wem das Spiel noch nicht hart genug ist, der kann auch den Schwierigkeitsgrad „Wahnsinnig“ wählen, bei dem die Locust verblutende Soldaten mit einem bösen Finishing Move endgültig töten können und bei Verwundungen zufällige Handkarten abgeworfen werden müssen. Wahnsinnig ist da durchaus passend für diese Herausforderung.

Gears of War – Das Brettspiel macht wirklich Laune! Gerade das nicht mehr wie bei Doom einen Spieler für die Feinde braucht, sondern komplett kooperativ gegen das Spiel arbeitet und die Opposition wie bei Battlestar Galactica am Ende der Runde abarbeitet, hat sowohl dem Spielablauf, wie auch dem Spielspaß sehr gut getan. Durch die Reaktionen ist man konstant gefordert und die Spielzüge dauern auch nicht lange, so dass es nie langweilig wird. Taktiker und Freunde des kooperativen Spiels sollten zugreifen, wenn sie gerne ein paar Stunden ein kniffliges Spiel  austragen wollen. Fans von Gears of War sowieso!

Mit freundliche Unterstützung des Heidelberger Spieleverlags.


Name: Gears of War – Das Brettspiel
Spieler: 1 bis 4
Verlag: Heidelberger Spieleverlag
Sprache: deutsch
Autor: Corey Konieczka
Spieldauer: 90 bis 120 Minuten
Aufmachung: Hervorragend
Empf. VK.: 59,95 Euro
Komplexität: mittel bis hoch
EAN: 4015566011632


Galerie:

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