Descent - Schrecken des Blutmeers

Descent – Die Reise ins Dunkel hat sich in den letzten Jahren einen festen Platz in den Herzen der Brettspieler mit Hang zu längeren Fantasy-Szenarien gesichert. Mit der dritten Erweiterung Wege zum Ruhm kamen sogar Rollenspielelemente dazu. Die Helden verbesserten sich von Abenteuer zu Abenteuer, behielten ihre Ausrüstung und strebten dem Ziel entgegen, den vom Overlord geführten Avatar zu besiegen, während sie über die Karte reisten. Wo das Grundspiel bereits eine eindrucksvolle Spieldauer von mehreren Stunden plus Auf- und Abbau aufwies, sprengte Wege zum Ruhm mit seinem Kampagnencharakter den Rahmen endgültig, da man selbst bei einem Spielabend pro Woche durchaus mehr als ein Jahr mit der Erweiterung verbringen konnte. Schrecken des Blutmeers schlägt nun in die gleiche Kerbe und bietet als fünfte (!) Erweiterung zum Grundspiel neues Kampagnenmaterial. Die anderen Erweiterungen können ebenfalls benutzt und eingebunden werden, benötigt wird aber nur das Grundspiel.

Aber Moment mal… 50 Euro für eine Erweiterung? Das ist sehr viel. Stimmt, aber es gibt auch wieder einiges für sein Geld. Das merkt man frühestens dann, wenn man die Box in die Hand nimmt und über das Gewicht staunt. Öffnet man die Box, so findet sich darin ein 100-seitiges, vollfarbiges und gebundenes Regelbuch mit allen Kampagnenregeln und den Szenarien. Dazu gesellen sich zehn Würfel, vier Bögen für die Avatare des Overlords, eine Kampagnenkarte als stabilen Spielplan und eine flexible See- bzw. Inselkarte, 220 Spielkarten sowie eine riesige Zahl von Markern für Verbesserungen, Gelände, Waffen, etc. Wie bei Spielen von Fantasy Flight Games üblich, lohnt es sich auch hier den Pappeinleger zur Ordnung des Materials herauszunehmen, umzudrehen und wieder in die Box zu legen, um das ganze Material irgendwie geordnet zu sortieren. Kleine Plastiktütchen sind auch hier wieder notwendig, um die Marker zu trennen, weil man sonst noch mehr Zeit damit benötigt alles aufzubauen, also es bei Descent sowieso schon der Fall ist. Damit die Helden und der Overlord auch noch genau wissen, welche Fähigkeiten sie am Ende des letzten Spiels hatten, sind auch zusammengefaltete Pappschachteln beigefügt, in denen man das Material seines Reckens separat lagern kann. Sehr fein.

Bevor die Helden sich aber dem schrecklichen Avatar des Overlords stellen können, müssen sie zunächst durch das Inselkönigreich von Torue Albes reisen, Artefakte, Schätze und Erfahrung sammeln und wenn möglich, die Hauptleute des Overlords aufhalten. Diese versuchen Städte einzunehmen, die die Helden dann nicht mehr als Rückzugs- und Ausrüstungspunkt nutzen können. Zusätzlich sammelt der Overlord auch für jeden besiegten Helden Erfahrung und wird damit wie die Helden im Spielverlauf stärker, inklusive seiner Kreaturen und Fallen. Und damit meine ich wirklich bedeutend stärker. Die Silberwürfel als erste Aufwertung enthalten die doppelte Zahl an Energie- und Schadensmarkern sowie Reichweite wie die schwarzen Würfel, die goldenen Würfel sogar das Dreifache. Soweit kennt man es bereits aus Wege zum Ruhm, doch Schrecken des Blutmeers erweitert das Konzept um die Seewege, Schlachten zwischen Schiffen mit Kanonen, dem Navigieren des Schiffs während eines Kampfes und der Erforschung von Inseln. Die einzelnen Dungeonetagen sind kleiner als im Hauptspiel, aber sehr viel zahlreicher, so dass man an einem Abend trotz begrenzter Zeit durchaus Erfolge erringen kann.

So motivierend die Jagd nach Verbesserungen, Schätzen und dem Kampf gegen die Monster auch ist, so umfangreich sind inzwischen die Regeln. Hat Wege zum Ruhm den bereits umfangreichen Regeln und Optionen aus dem Grundspiel bereits einiges hinzugefügt, so nimmt dieser Aspekt mit Schrecken des Blutmeers noch einmal dank der Seekampf-Regeln erheblich zu. Der Overlord und die Spieler sollten am besten bereits sowohl mit den grundlegenden Regeln des Systems vertraut sein, als auch bereits die Prinzipien von Wege zum Ruhm kennen, um einen problemlosen Start hinlegen zu können. Schrecken des Blutmeers eignet sich nicht, um mal eben einen Abend Descent zu spielen, sondern sollte nur angefangen werden, wenn die ganze Gruppe bereit ist, mehrere Sitzungen zu absolvieren. Denn ohne Kampagne und Verbesserungen auf beiden Seiten wird die Erweiterung natürlich unattraktiver. Erwähnenswert ist natürlich auch der enorme Platzbedarf des Spiels. Selbst wenn nur die Materialien aus der Grundbox und Schrecken des Blutmeers zur Verfügung stehen, sollte man einen sehr, sehr großen Tisch einplanen.

Zudem ergeben sich bei einem Brettspiel mit steigender Komplexität und den Freiheiten des Kampagnenspiels ein paar kleinere Probleme bei der Ausgewogenheit. Wenn ein Hauptmann etwa eine Stadt belagert, so ist er dank der Rückzugsregeln höchstens zu verlangsamen, statt zu besiegen. Auch sind einige der Inseln bei regelbuchtreuer Auslegung nicht für die Spieler zu gewinnen, etwa wenn die Monster der Insel problemlos an Land und auf dem Wasser agieren können (wobei das letztere den meisten Helden verwehrt bleibt) und dann auch noch über Schutz vor Fernkampfangriffen verfügen. Hier sind die Diskretion des Overlords und die Fairness der ganzen Gruppe gefragt, damit diese Elemente nicht ausgenutzt werden und das Spiel weiter spaßig für alle bleibt.

Schrecken des Blutmeers bietet wieder massig tolles Material, um wirklich lange damit spielen zu können, was auch den hohen Preis rechtfertigt. Vor dem Kauf sollte man sich aber genau überlegen, ob die Gruppe, mit der man es spielen möchte über so viel Zeit, Ausdauer und Regelfestigkeit verfügt, dass man mindestens vier bis fünf oder besser noch viel Sitzungen investieren kann, um die Erweiterung in seiner Gesamtheit zu erleben.


Name: Descent - Schrecken des Blutmeers
OT: Descent - Sea of Blood
Verlag: Heidelberger Spieleverlag
Sprache: deutsch
Autor: Kevin Wilson, Sally Karkula
Ausstattung: sehr gut
Empf. VK.: 49,90 Euro
EAN: 4015566011205{jcomments on}


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