Schatten über Camelot

"Schatten über Camelot" ist ein Gesellschaftsspiel aus dem Hause Days of Wonder, das es drei bis sieben Spielern erlaubt, in die Rolle der berühmten Ritter von König Artus' Tafelrunde zu schlüpfen und Brittannien vor den Mächten des Bösen zu retten.
Das wirklich Besondere an dem Spiel ist, dass die Spieler keine Konkurrenten sind, sondern kooperieren müssen, um die zahlreichen Katastrophen abzuwenden, die von allen möglichen Seiten auf sie einstürzen - entweder gewinnen sie gemeinsam oder verlieren gegen das Spiel - und das ist ein harter Gegner. Es ist also gutes Teamwork gefragt, um sich den Erfolg zu verdienen - allerdings kann es sein (aber eben nicht in jedem Fall), dass einer der Ritter ein Verräter ist, der gegen die Gruppe arbeitet.
So steht der Sieg bis zu letzt auf Schwertes Schneide und bis dahin hält das Spiel eine ziemlich große Anzahl von Spielern recht lange in Spannung.

Der Packungsinhalt
Wie gewohnt hat Days of Wonder auch an "Schatten über Camelot" nicht gespart und der stabile Spielkarton, den ein Bild vom Kampf der guten gegen die bösen Mächte vor der Kulisse der namensgebenden Burg ziert, ist randvoll gefüllt mit allem, was man zum spielen braucht.
Wenn alles aufgebaut ist, liegen gleich vier stabile, bunt bedruckte Spielpläne auf dem Tisch, dazu zwei große Stapel von schwarzen, beziehungsweise weißen Karten, kleine, feine Plastikmodelle von Belagerungskatapulten, axtschwingenden Sachsenkriegern und knüppelbewehrten Pikten, ein W8 und ein Haufen großer, stabiler, schwertförmiger Kartoncounter, die auf der einen Seite eine schwarze, auf der anderen eine weiße Klinge tragen.
Für jeden Spieler steht ein laminiertes Dokument für seinen Ritter zur Verfügung, das nicht nur schön gestaltet Farbe und Bild des Helden trägt, sondern auch alle wichtigen Regeln für jeden übersichtlich zusammenfasst. Außerdem dient ein farblich zum Ritter passender W6 mit goldenen Zahlen dazu, die Lebenspunkte des Charakters nachzuhalten. Auf der Rückseite der Blätter finden sich die Regeln für den Fall, dass der Ritter als Verräter entlarvt wird und er fortan gegen die Gruppe spielen muss.
Zusätzlich erhält jeder Spieler eine Karte (es gibt acht bei maximal sieben Spielern), die seine Loyalität (Getreuer oder Verräter) festlegt und die sicher unter dem Dokument verwahrt wird und jeder führt eine Ritterfigur aus grauem Plastik, die individuell nach dem Bild der Ritter auf den Dokumenten gestaltet sind und deren Sockel zur leichten Unterscheidung auch in der Farbe des jeweiligen Ritters gehalten ist.

Wie man mit dieser zuerst einmal etwas einschüchternd wirkenden Masse an hochqualitativem, schönen und robusten Spielmaterial nun das Königreich vor den Dunklen Mächten retten soll, erklärt einem Schritt für Schritt die große, reich bebilderte Spielanleitung und das ebenso üppige Questenbuch, das als Referenz für bestimmte Spielereignisse und Karten dienen soll.
Die beiden Hefte sind allerdings auch mein größter Kritikpunkt an den Spiel, da sie zwar die grundlegenen Regeln des Spiels gut vermitteln, aber die ganzen kleinen "Was ist eigentlich wenn..."-Situationen im Spiel eher umständlich klären und die meines Erachtens unnötige Zweiteilung dazu führt, dass man durch zwei Hefte stöbern muss.
Was mich vor allem ein wenig geärgert hat ist, dass die eigentlich recht einfachen Regeln durch den unklaren Aufbau der Hefte sehr viel schwerer erscheinen, als sie eigentlich sind.

Das Spiel
Wenn alle Spieler versammelt sind und alles aufgebaut ist, müssen noch ein paar Dinge vorbereitet werden: Jeder Spieler zieht sich eines der Ritterdokumente (bereit stehen Sir Kay, Sir Galahad, Sir Gawain, Sir Parzival, Sir Tristan, Sir Palomides und König Artus selbst) und verdeckt eine Loyalitätskarte, legt seinen Lebenspunktewürfel mit der "4" nach oben auf das Dokument und stellt seine Figur auf ihren Sitz an die Tafelrunde. Dann erhält er sechs weiße Karten, die ihm bei seinen Heldentaten helfen sollen.
Bevor das Abenteuer beginnt, darf jeder Ritter eine seiner weißen Karten offenlegen und es wird beraten, wie diese Karten am besten unter den Rittern verteilt werden, um das Böse zu bezwingen.

Doch halt! Vorher muss noch das wichtigste Spielprinzip jedem klar sein: Die Spieler müssen kooperieren und dürfen sich über ihr Vorgehen auch beraten und eine Strategie planen, dabei darf allerdings keiner tatsächliche Karten oder Werte, die er besitzt nennen oder irgendwie mit der Spielmechanik argumentieren. Sätze wie "Hat noch wer von euch Gralskarten?", "Ich hab 'ne eins, 'ne zwei und vier und fünf auf der Hand, kann mal wer vorbeikommen, der noch 'ne drei hat?" oder "Der schwarze Ritter hat gerade drei Punkte gekriegt!" sind verboten!
Stattdessen sollte jeder in die Rolle seines Ritters schlüpfen und indirekt Hinweise über seine Pläne, Absichten und Möglichkeiten geben, weswegen es am Spieltisch eher so klingen sollte: "Sirs, Freunde, sehe meiner Suche nach dem Gral keinen Weg mehr und werde zurückkehren. Ist einer unter Euch, der rein genug ist, die hehre Suche nach diesem heiligsten Artefakt fortsetzen?"
"Edle Herren, ich werde mich ohne zögern mit meinen Getreuen an unsere Küsten begeben, um die abscheulichen Sachsen, die unser Land bedrohen, ins Meer zurückzutreiben. Jedoch mag es mir an Stärke fehlen und darum frage ich, ob nicht einer von euch mir zur Seite stehen will?"
"Mylord, ich bringe keine gute Kunde, der schwarze Ritter, unser alter Feind, steht vor den Toren Camelots und fordert uns heraus. Noch hat er sich von seinem letzten Kampf nicht ganz erhohlt, jedoch sammelt er seine Kräfte. Findet sich einer unter uns Rittern, der die Herausforderung annehmen mag und sich ihm entgegenstellt, bevor er vollends erstarkt?"
Wenn alle mitmachen, schleift sich der "ritterliche" Umgangston schnell ein und verleiht dem Spiel ein unvergleichliches Flair.

Nun aber geht es los, Camelot wartet!
Reihum ist jeder Ritter an der Reihe. Der Spielzug eines Ritters besteht aus zwei Phasen: Zuerst muss der Fortschritt des Bösen ausgespielt werden. Der Spieler hat die Wahl, entweder eine der schwarzen Karten vom Stapel zu ziehen und ihre (unangenehme bis verheerende) Wirkung sofort auszuspielen, eine Belagerungsmaschine vor den Toren Camelots aufzustellen oder einen der raren und schwer zu heilenden Lebenspunkte seines Ritters zu opfern. Am Anfang des Spiels bleibt es der Laune des Spielers überlassen, wofür er sich entscheidet, doch je mehr das Spiel fortschreitet und das Böse an Land gewinnt, desto schwieriger ist es, abzuwägen, welche der drei Optionen gerade das kleinste Übel darstellt.
Erst nachdem das Böse seinen Zug hatte, darf der Ritter handeln. Er hat die Wahl, zu einer anderen Queste zu reisen als der, auf der er steht, auf der Queste, auf der er sich gerade befindet, eine Heldentat zu vollbringen (was bedeutet, dass er eine einzelne zur Queste passende weiße Karte auf der Queste ausspielen darf), eine seiner Sonderkarten auszuspielen (die auch außerhalb der eigenen Queste Auswirkungen haben können und oft die letzte Rettung sind), drei identische Karten aus seinem Besitz zu opfern, um einen seiner Lebenspunkte zurückzugewinnen oder einen seiner Mitstreiter des Verrats anklagen. Auch hier gilt es, abzuwägen, welche Aktion zu dem gemeinsamen Sieg wohl gerade am ehesten beitragen könnte.
Wenn gerade Not am Mann ist, kann ein Ritter auch sein Äußerstes geben und einen seiner wertvollen Lebenspunkte opfern, um eine zweite Handlung vollbringen zu können, die allerdings eine andere als die gerade durchgeführte sein muss.

Der einzige Weg, Brittannien zu retten, sind die zahlreichen Questen, auf die sich die Ritter begeben können. Questen werden durch bestimmte Bereiche auf dem Hauptspielbrett oder durch eines der drei Nebenspielbretter dargestellt.
Ritter können ihre Aktion dazu aufwenden, frei zwischen den Questen zu reisen, er darf aber nur die Queste beeinflussen, auf der er gerade steht.
Manche Questen stehen allen Rittern gleichzeitig offen, andere darf nur ein einzelner Ritter unternehmen und der Rest muss warten, bis er sie freigibt. Die Questen auf dem Hauptspielplan sind beliebig oft wiederholbar, die Questen auf den Nebenspielbrettern können nur einmal absolviert werden.
Jede Queste hat einzigartige Siegbedingungen, wenn die Ritter sie erreichen, ist die Queste gewonnen, es winken weiße Karten, hilfreiche Artefakte, Lebenspunkte und weiße Schwerter als Lohn. Kommt ihnen das Böse zuvor, erleiden alle Ritter auf der Queste einen Verlust von Lebenspunkten und schwarze Schwerter finden ihren Weg nach Camelot.
Das Böse treibt durch die schwarzen Karten, die unweigerlich gespielt werden müssen, seinen Sieg auf allen Questfronten gleichzeitig voran, während die Ritter entscheiden müssen, wo sie gerade eine Queste vorwärtstreiben wollen und ob sie sich lieber verteilen oder gesammelt vorgehen. Dabei muss auch bedacht werden, dass jede einmalige Queste, die beendet wird (von den Rittern oder vom Bösen) dazu führt, dass jede schwarze Karte für diese Queste nun ein weiteres Katapult vor die Tore Camelots führt und so schnell zur Bedrohung werden, wenn sie keiner bekämpft.

Das Spiel ist verloren, sobald zwölf Katapulte Camelot belagern, sechs schwarze Schwerter auf der runden Tafel liegen oder alle Ritter tot sind (ja, Ritter können sterben). Die Einzige Chance von Artus' Rittern ist es, dem Bösen zuvorzukommen und möglichst schnell die Tafelrunde mit weißen Schwertern vollzulegen. Denn erst wenn zwölf Schwerter auf der Tafel liegen und mehr als die Hälfte von ihnen weiß ist, ist das Königreich gerettet. Bleibt allerdings der Verräter bis zum Ende unentdeckt, werden zwei weiße Schwerter vor der Auszählung noch auf ihre schwarze Seite gedreht...

Neben ihrem Teamwork haben die Spieler allerdings noch den Vorteil auf ihrer Seite, dass jeder Ritter über eine eigene Sonderfertigkeit verfügt, die ihn für bestimmte Aufgaben besonders geeignet macht und dass es keine Grenze für die Zahl der weißen Karten gibt, die ein Ritter besitzen darf.

Was bei "Schatten über Camelot" wirklich für Spaß sorgt, ist das Spiel, dass ein sehr harter, jedoch auch fairer und bezwingbarer Gegner ist und die Spieler von Anfang bis Ende auf Trab hält. Siege und Niederlagen sind meist knapp und so bleibt die Spannung und die Hoffnung, dass doch bitte jemand gerade die Karte haben möge, die den Sieg ermöglichen würde, bevor das Böse zum Finalschlag ausholt, bis zur letzten Sekunde erhalten.
Selbst wenn ein Spieler durch den Tod seines Ritters auf die Ersatzbank verbannt wird (was allerdings eher selten und spät im Spiel vorkommt), kann er noch mit seiner "Mannschaft" mitfiebern und an der Strategieplanung teilnehmen.
Der Verräter macht das Ganze noch interessanter, da es oft Situationen gibt, wo man sich blind auf seine Gefährten verlassen muss und Misstrauen und übermäßige Vorsicht die Gruppe oft schlimmer sabotieren, als ein Verräter es je könnte (der ja womöglich gar nicht im Spiel ist).
Je größer die Spielrunde, desto größer die Chance, dass einer der Ritter für die Gegenseite spielt, aber desto größer auch das Chaos und der Spielspaß.
Trotzdem spricht es für das Spiel, dass auch die Minimalbesetzung von drei Rittern dieselben Chancen gegen die Mächte der Finsternis hat wie eine voll bestzte Tafelrunde.

Support
Das Spiel ist ein in sich geschlossenes Brettspiel, das kein Erweiterungsmaterial braucht. Für Vorbesteller und Messekäufer gab es allerdings ein Set bemalter Ritterfiguren, die sich anstelle der in der Packung enthaltenen Grauen verwenden lassen.
Wie jedem Produkt von Days of Wonder liegt auch "Schatten über Camelot" ein Code bei, mit dem sich für sechs Monate ein Account auf der Herstellerseite freischalten lässt, wo man Zugriff auf eine Spielersuche und die Foren hat, wo sich Fans und auch Spieleentwickler tummeln, die gern auch mit Regelfragen behilflich sind.

Fazit
"Schatten über Camelot" ist ein ungewöhnliches, turbulentes Spiel für den Freundeskreis und die ganze Familie. Wirklich genial wird es dann, wenn sich die Spieler auf ihre Rollen als Ritter einlassen, denn dann gewinnt "Schatten über Camelot" einen Flair, den ich bisher nie so bei einem Brettspiel erlebt habe: Das spannende Taktieren und Kartenauslegen wird zu einem wirklichen Kampf um Brittannien und die Ritter ziehen hektisch durchs Land, wo es an allen Ecken und Enden brennt: Hat man gerade die Sachsen im Griff, bekommen die Pikten plötzlich Verstärkung und während ein paar Getreue nach Excalibur suchen oder ihre Kräfte sammeln, sieht es nicht so aus, als könnte der Gral noch gerettet werden - oh, war der schwarze Ritter eben auch schon so stark? Und wo kommen plötzlich die ganzen Katapulte im Vorgarten Camelots her?
Egal, ob man nun mit seinen Freunden den Sieg erkämpft oder sich geschlagen geben muss, man kann am Ende auf einen wahrhaft epischen Kampf an der Seite von Freunden zurückblicken (der miese Verräter darf in den Keller laufen und den Getränkevorrat auffrischen) und die Uhr ist beunruhigend weit fortgeschritten.

Ein weiterer dicker Bonuspunkt ist, dass ziemlich viele Leute mitspielen können, so dass beim Spieleabend oder in größeren Familien keiner außen vor bleiben muss.

"Schatten über Camelot" sollte auf jeden Fall in keiner Spielesammlung fehlen, das Königreich braucht euch!


Name: Schatten über Camelot {jcomments on}
Hersteller: Days of Wonder 
Sprache: in Deutsch, Englisch und Französisch erhältlich 
Spieler: 3-7 
Spieldauer: ca. 1 - 2 Stunden
Empf. VK.: ca. 50 Euro 
Komplexität: gut zu erlernen