Munchkin

Obschon das Lineup der Kartenspiele aus dem Hause Pegasus mittlerweile einige ziemlich gelungene Eigenentwicklungen aufweist (man denke etwa an das neulich hier besprochene "Äpfel zu Äpfeln"), so war der Grundstein dieses Marktsegmentes für den Friedberger Hersteller doch ein Lizenzprodukt.
"Munchkin" ist eine Art moderner Klassiker, der ursprünglich bei Steve Jackson Games erschienen ist und eben für Pegasus übersetzt wurde. Es erfreut sich großer Beliebtheit und ist eigentlich schon so ein bisschen eine heilige Kuh geworden. Aber wer uns kennt, der weiß ja, dass uns so etwas generell nicht beeindruckt.

Der Packungsinhalt
"Munchkin" ist ein Kartenspiel, dass in der Grundausstattung aus 168 Karten besteht. Diese sind gewohnt gut verarbeitet und bieten individuelle Illustrationen in einem Sepia-Farbton. Darin ist es mir dann direkt sympathisch, denn die Bilder sind von John Kovalic gezeichnet, keines wiederholt sich und alle sind eigentlich lustig anzuschauen. Diese Liebe zum Detail ist definitiv einer der großen Reize des Spiels.
Die Motive parodieren typischen Rollenspiel- und Meta-Rollenspiel-Elemente und entfalten ihren Reiz gerade dann, wenn man mit dem Hobby und Fantasy-Geschichten allgemein zumindest grob vertraut ist.
Ausgeliefert wird das Spiel in der gewohnten kleinen Schachtel, die sich zierlich im Schrank macht und erfreulicherweise sehr ehrlich keine Mogelpackung darstellt, wie es die englische Schatulle noch tut.

Es sich preislich in einer Liga mit Pegasus' "Äpfel zu Äpfeln", was allerdings nicht ganz verständlich ist, da das Letztgenannte doch weitaus besser ausgestattet ist, mit besserer Box und einer vielfachen Kartenmenge.

Das Spiel
Das Spiel "simuliert" einen typischen Dungeon-Crawl. Eine Gruppe tapferer Helden stößt in ein finsteres Verließ vor, tötet Monster und hortet Schätze. Ziel ist es, als erster eine bestimmte Stufe zu erreichen.
Das Spiel ist in Runden unterteilt, die im Grunde immer nach dem gleichen Schema ablaufen. Der handelnde Spieler "öffnet eine Türe", zieht also eine Karte von dem sogenannten Dungeon-Stapel. Findet er darin ein Monster, muss er kämpfen, ansonsten kann er einige andere Aktionen durchführen. Kämpfen allerdings ist gut, denn erfolgreiche Kämpfe bringen Schätze, mit denen man seinen Charakter aufbessern kann, sowie die besagten Stufen, die als Siegesbedingung unabdingbar sind.
Die Schätze bringen Boni, genauso wie verschiedene andere Karten den Charakter generell ausgestalten, etwa mit einer Charakterklasse. Die Karten sind eigentlich alle lustig und humorvoll, so dass es immer Spaß macht, einmal auszutesten, was für eine seltsame Gestalt man da letztlich zu seinem Recken ernennt.
Kämpfe funktionieren dann generell so, dass der Spieler alles addiert, was man an Boni hat, eventuelle Hilfskarten ebenfalls ausspielt und so zusieht, dass man damit über die Stufe des Monsters kommt. Gelingt das, so ist es besiegt, misslingt es, dann passieren "schlimme Dinge", etwa Gegenstands- oder Stufenverluste.
Gewürzt wird dieser Ablauf dadurch, dass die anderen Mitspieler am Tisch nicht untätig zusehen müssen. Sie können einem eine reinwürgen, indem sie einen mit Flüchen belegen oder aber im Kampf die Monster aufbessern, oder auch unterstützen. Dann feilscht man am Tisch aus, was der andere denn davon hat ("Ich bekomme den Stufenaufstieg, aber du die drei Schätze, die das Monster hat.") und kann dessen Boni mit in die Rechnung aufnehmen.

Im Idealfall entsteht dadurch ein spaßiges Hin und Her zwischen den Spielern, bei dem keiner Konstant die Nase vorne hat, sondern sich die Ereignisse immer wieder überschlagen, Allianzen gegründet und verworfen, Bündnisse geschlossen und gebrochen werden und über allem nicht zuletzt die Schadenfreude regiert.

Leider, so musste ich in wiederholten Testspielen feststellen, hängt das ungeheuer von der Mischung der Kartenstapel und dem Naturell der Spieler ab. Denn sind diese zu effektiv darin, einen Fortschritt im Spiel zu verhindern, weil jeder immer einen Knüppel zwischen die Beine bekommt, dann stagniert das Spiel. Laut Beschreibung ist ein durchschnittliches Spiel für eine Stunde angesetzt, aber ich habe auch schon Partien erlebt, die nach zwei bis drei Stunden noch immer nicht zu Potte kamen.
Auch "will" das Spiel manchmal einfach nicht. Es kam beim Testspiel auch vor, dass keiner der Spieler auch nur annähernd mal auf ein Monster stieß, dass er bezwingen konnte. Ja, die meiste Zeit eh auf gar kein Monster stieß. Das ist's dann auch nicht, denn ohne Monster kein Aufstieg. Das ist statistisch allerdings, soviel muss dazu gesagt werden, sehr unwahrscheinlich.
Allerdings mag ich dem Karton ebenfalls widersprechen, wenn er schreibt, dass "Munchkin" nur umso besser würde, je mehr mitspielen. Klar, es geht dann wilder hin und her ... aber das führt uns zur Dauer zurück, denn die steigt pro Spieler wieder herb an.

Zudem muss man, als letzten meiner Kritikpunkte, klar sagen, dass der Spielablauf merklich repetativ ist. Es sind die Karten und deren Kombinationen, die das Spiel peppig halten, aber der Witz verbraucht sich mit der Zeit. Liegt man in der ersten Partie (oder beim ersten Durchsehen des Kartenstapels) noch lachend am Boden, so setzt irgendwann der "alles schon mal da gewesen"-Faktor ein. Für den wiederum gibt es zumindest eine Lösung...

Erweiterungen
Es ist ein riesiger Berg von Erweiterungen für "Munchkin" auf dem Markt, die im Grunde doch alle das gleiche tun: Sie erweitern den Kartenfundus. Über zehn zusätzliche Sets sind zum Zeitpunkt dieser Rezension bereits auf dem deutschen Markt, teilweise sogar mit exklusiven Karten, direkt von Pegasus.
Insofern gibt es zumindest reichlich Material, damit man eben nicht zu schnell "alles" schon mal gesehen hat. Allerdings donnern die Erweiterungen auch noch mal gewaltig auf die Spielzeit. Eine Partie, die wir vor einer Weile mit fünf Mann, dem Grundspiel und einer Erweiterung gespielt haben, ging ebenfalls mal wieder über mehrere Stunden.

Der Support
Der Websupport unter http://www.pegasus.de/munchkin ist vorbildlich. Neben diversen Produktübersichten findet man dort die aktuellen Errata, eine Übersicht über die offiziellen "Munchkin"-Turniere, Kartenlisten, den Anleitungen aller Sets, zusätzlicher Übersichten und sogar eine Aufstellung sämtlicher in Deutschland erstellten Karten nebst JPEG für Besitzer der englischen Ausgabe findet man dort.
Hier können die Mannen von Pegasus definitiv punkten - so hat Websupport auszusehen. Zudem gibt es noch ein eigenes Forum zu Spiel, das sogar recht gut besucht ist und wo Regelfragen, Neuerscheinungen und alles weitere zu "Munchkin" rege diskutiert wird.

Fazit
Unter'm Stricht kann ich die Euphorie für das Spiel nicht wirklich teilen. Der Spielablauf ist vollständig zufallsgesteuert und entsteht aus dem Zusammenspiel diverser, unberechenbarer Faktoren, von den gezogenen Karten bis zu eventuellem Kontra-Verhalten anderer Spieler.
Das Spiel selber kann extrem lustig sind, aber anders als etwa bei "Äpfel zu Äpfeln" kann man hier nicht unter Garantie davon ausgehen. Mit etwas Pech entwickelt sich die Partie auch sehr träge, zieht sich wie Kaugummi und will einfach kein Ende finden.

Das Spiel hat das Zeug dazu, einem denkwürdige Gefechte und grandiose Finale zu liefern, nur tut es das leider nicht immer. Leute ohne jedweden Bezug zu Fantasy und Rollenspielen (Hey, schreibt uns mal, ihr warum lest die DORP!) sollten dem Titel sicherlich andere Kartenspiele vorziehen.
Rollenspieler und Kenner der Materie machen bei dem Preis von 14,95 Euro unter Umständen auch nichts falsch, aber wirklich empfehlen kann ich es nicht. Für das gleiche Geld gibt es bessere Spiele, auch aus dem Hause Pegasus.


Name: Munchkin 
Hersteller: Pegasus Press 
Sprache: Deutsch 
Spieler: 2-6 {jcomments on}
Spieldauer: ab einer Stunde, Ende offen
Empf. VK.: 14,95 Euro 
Komplexität: Gering, mit zahlreichen Sondermechanismen