Das traditionelle Weihnachtsspiel

Guten Nachmittag, liebe Gemeinde. Wir haben uns heute hier versammelt, um uns kreisrund aufzustellen und geschlossen eine Redensart ob ihrer Unwahrheit zusammenzutreten. Delinquent ist „Einem geschenkten Gaul, schaut man nichts ins Maul“, ein Ausspruch, der vor eienr Weile eiskalt Lügen gestraft wurde.

Beim LORP Adventskalender 2006 gewann ich gleich zu Beginn „Das traditionelle Weihnachtsspiel“ und ein Jahr später, Weihnachten 2007, konnten wir das Produkt endlich einmal austesten. Und wie sich das Spiel, dessen Hersteller die Existenz des weihnachtlichen Reigens schon wieder aus seinem Verstand und vor allem aus seinen Katalogen verbannt hat, im gnadenlosen DORP-Weihnachts-Spieletest so behauptet hat, werden wir in dieser Rezension einmal ausloten.

Vor uns liegt ein Spiel mit einer wahrhaft dramatischen Handlung. Ich zitiere die Anleitung: „Oh Nein! Knecht Ruprecht hat einen Schneesturm herbeigerufen, um zu verhindern, dass der Weihnachtsmann alle Geschenke ausliefern kann. Als Kind hat er nie Weihnachtsgeschenke bekommen und will deshalb verhindern, dass andere Kinder ein schönes Weihnachtsfest feiern könne.“
Oh ha. Das verspricht ja „lustig“ ziu werden.

Der Packungsinhalt
„Das traditionelle Weihnachtsspiel“ kommt in einer recht voluminösen und stabilen Schachtel daher. Auf dem Cover strahlt in glänzenden Farben ein rotwangiger Weihnachtsmann, wie ihn sonst nur Coca Cola hinbekommt – das passt zum Spiel, ist aber trotzdem schon etwas viel des Guten für meinen Geschmack.
Unter dem Deckel ruhen dann, in einer sehr stabilen Einlage, die eigentlichen Spielutensilien. Da gibt es einen Spielplan (ausgeklappt 48x48 cm), vier Spielfiguren und eine Knecht Ruprecht-Figur aus Plastik, einen fragwürdigen Weihnachtsbaum zum Selber-Zusammenstecken, 100 Karten (25 je Spieler), 36 Geschenkmarker aus Plastik, einen Spezialwürfel, die Anleitung und eine CD.
Das Artwork des Spiels ist schlichtweg egal. Es ist nicht schön, es ist eigentlich auch nicht gut, es wird nur dadurch gerettet, dass es nicht ganz schlecht ist. Es gibt auf den insgesamt 100 Karten ganze drei verschiedene Illustrationen, insofern kann man auch von Abwechslung nicht sprechen. Aber immerhin sind die restlichen Materialien wie der Spielplan oder die Figuren, mit Ausnahme des Baumes, sehr stabil und eigentlich auch ganz vorzeigbar geraten.
Die CD verdient eine abschließende Erwähnung und bietet 15 Weihnachtslieder in instrumentaler Darbietung. Und die ist, nach vorsichtigem Probehören, sogar nicht mal so schlecht, wie ich das erwartet habe. Es klingt nicht nach Synthesizer, die Vertonung ist nicht zu aufdringlich geraten, kann man sich alles in allem also durchaus gefallen lassen. Toll ist sie natürlich auch nicht und die Auswahl der Lieder ist spürbar davon geprägt, dass das Spiel aus Amerika kommt, aber es hätte ja so viel grausamer ausgehen können...

Das Spiel
Aber kommen wir zum eigentlichen Ablauf. Der Spielplan wird ausgebreitet und der Weihnachtsbaum kommt in die Mitte, Knecht Ruprecht darauf. Jeder der zwei bis vier Spieler platziert sich in die seiner Farbe entsprechenden Ecke des Spielplans und der jüngste Spieler beginnt.
Ziel des Spiels ist es nun, die neun Geschenke je Spielerfarbe in entsprechend gefärbte Häuser auf dem Spielplan zu bringen. Dazu zieht man zunächst eine Karte von seinem eigenen Stapel und schaut, was die zeigt. Mit der raubt man entweder einem Spieler (farblich dann vorgegeben) ein Geschenk, falls er schon eines ausgeliefert hat, darf selber bei Gelegenheit in dieser Runde zwei Geschenke ablegen, nachher einen Schritt weiter gehen oder der Spieler darf direkt zum Haus seiner Wahl springen.
Dann würfelt man den „Spezialwürfel“, der zwei „2“-Seiten, zwei „3“-Seiten, eine „5“-Seite und eben das „Knecht Ruprecht“-Symbol zeigt. Liegt eine der Nummern oben, zieht er eine entsprechende Anzahl von Feldern über das vernetzte Spielfeld, versucht ein Haus seiner Farbe zu erreichen, das noch nicht beschenkt wurde und lässt dann dort ein Geschenk liegen. Würfelt er stattdessen den „Knecht Ruprecht“, kann sich dieser zwei Felder weit in eine beliebige Richtung bewegen. Landet er dabei auf einem Haus mit Geschenken, würfelt der Spieler, dem dieses Haus gehört, erneut den Würfel. Würfelt er dort nun nicht „Knecht Ruprecht“, sondern eine Zahl, so werden die dortigen Geschenke gestohlen und vom ollen Ruprecht unter den Weihnachtsbaum in der Mitte gelegt.

Klingt schmerzhaft simpel? Ja, ist es auch. Sehr schnell zeigte sicn, warum der Hersteller keine Spieldauer angegeben hat, denn diese ist leider mehr oder weniger unberechenbar zu nennen. Man zuckelt so seine Bahnen auf der Karte entlang, hofft, dass einem das Würfelglück es irgendwie ermöglicht, ein unbeschenktes Haus zu erreichen (denn man muss seine volle Augenzahl zum Gehen nutzen) und muss immer wieder mit ansehen, wie einem dieser Plan zerschlagen wird. Bei den 25 Karten pro Spieler sind jeweils 6 „-1 Geschenk“-Karten enthalten, je zwei pro anderer Spielerfarbe. Spielt man aber mit voller Belegschaft, dann heißt das alleine schon mal, dass sich pro Spieler auch sechs „du verlierst ein Geschenk“-Karten im Spiel befinden. Dazu dann eben Ruprecht, der auch eine gute 17%-Chance hat, diese Runde zu ziehen.
Geschenke, die auf eine dieser Weisen verloren gehen, unterliegen dann ohnehin einem mir schleierhaften Mechanismus. Sie werden vom Spielfeld entwendet und unter den Weihnachtsbaum in der Mitte gelegt. Da kommt der Spieler erst einmal nicht an sie heran, zumindest solange, wie er noch Geschenke gar nicht verteilt hat. Sind diese aber aufgebraucht, kann er auch problemlos die unter dem Baum wieder weiter verteilen. Wie doof ist das denn? Das „Geschenke un ter den Baum legen“ hat keinerlei spielerische Bewandtnis, konfrontiert einen allenfalls mit der Problematik, dass sie da für erwachsene Hände teils echt schlecht wieder darunter herauszuholen sind.
Sind alle Geschenke verteilt, muss man dann noch zur Spielfeldmitte ziehen (eigentlich fast immer in einem Zug machbar) ... doch unterliegt man natürlich auch in dieser Zeit noch der Gefahr, das Ruprecht, vermutlich gerade an einer der weit entferntesten Stellen des Spielfeldes, doch wieder noch ein Geschenk stibitzt.

„Das traditionelle Weihnachtsspiel“ hat daher rein mechanisch das große Gefahrenpotential eines Endlosspiels, was sehr ungünstig ist, denn Spaß macht es dabei eigentlich nicht.

Der Support
Der Support für das Spiel ist nicht existent – und das zwar schon in einem beeindruckenden Maße. Auf der regulären Webseite von Upper Deck findet man keinerlei Hinweis mehr auf die Existenz dieses Spiels, das jetzt etwas mehr als ein Jahr auf dem Markt ist. In der Anleitung findet man zudem noch eine abweichende URL angeboten, aber die führt ebenfalls ins Nirgendwo.
Sollte es also dort tatsächlich einmal zusätzliche Inhalte zu dem Spiel gegeben haben, wie auch immer die ausgesehen haben könnten, so werden wir das vermutlich nie erfahren.

Fazit
„Das traditionelle Weihnachtsspiel“ ist etwas, was die Spielewelt nun wirklich nicht gebraucht hat. Die Mechanik des Spiels ist katastrophal und besitzt diese unschöne Endlos-Tendenz, dürfte sogar für Kinder des angegebenen Mindestalters von sechs Jahren noch unbefriedigend sein. Die Ausstattung ist dabei in Ordnung, begeistert aber auch nicht.
Wer an dem Titel, wahlweise auch in der (gleichermaßen supportlosen) amerikanischen Version, „The traditional Christmas Game“, vorbeikommen, der sollte es registrieren ... und einfach weitergehen.
Der ursprüngliche Ladenpreis von gut 25 Euro war ohnehin zu hoch, aber selbst für die 15 Euro, die in der Regel so dafür gefragt werden, findet man auf dem Markt bessere und unterhaltsamere Spiele.
„Das traditionelle Weihnachtsspiel“ kann nur mit dem vernichtendsten aller Urteile bedacht werden: Es ist einfach ein Spiel, das niemand braucht.


Name: Das traditionelle Weihnachtsspiel 
Hersteller: Upper Deck Europe BV 
Sprache: Deutsch {jcomments on}
Spieler: 2-4 
Spieldauer: sehr variabel, 15 Minuten bis 1+ Stunden
Empf. VK.: 24,95 Euro 
Komplexität: Gering