Battlelore
"Battlelore" ist der Name eines Strategie-Brettspiels, das kürzlich von Days of Wonder herausgebracht wurde, ein Verlag, der sich in den letzten Jahren international mit seinen exzellent ausgestatteten Gesellschaftsspielen einen guten Namen gemacht hat. Battlelore erlaubt es zwei Spielern, auf einem in Hexfelder unterteiltem Schlachtfeld ihre Armeen aus kleinen Weichplastikminiaturen gegeneinander zu führen. Ziel des Spiels ist es dabei, Punkte zu sammeln, indem gegnerische Einheiten besiegt und strategische Landmarken erobert werden. Zusätzlich verfügt jeder Spieler noch über verschiedene Berater, die es ihm erlauben, mit allerlei Zaubern und Ereignissen ins Schlachtgeschehen einzugreifen.
Die einfachen Regeln sind schnell zu erlernen, halten das Spiel aber durchweg spannend und da der Sieg sowohl von Glück als auch von strategischem Denken abhängig ist, haben einerseits Anfänger eine Chance und andererseits bleibt das Spiel auch für erfahrene Spieler interessant.
Der Packungsinhalt
Das gesamte Spiel ist in einer stabilen, quadratischen Packung untergebracht, wie man sie etwa von "Die Siedler von Catan" kennt, allerdings ist dieser Karton bis zum letzten Quadratmillimeter mit Spielmaterial gefüllt und nach dem ersten Auspacken ist es mir nicht gelungen, ohne Mühe alles wieder so in die Schachtel zu zwingen, dass sie 100% schließt.
Wie schon erwähnt ist das Spielmaterial überdurchschnittlich gut ausgestattet, neben dem Spielbrett, den erforderlichen Karten und Pappmarkern und den weit über 200 Plastikminiaturen gibt es ganze 12 Kampfwürfel (6 pro Spieler), Kartenhalter, ein Szenarioheft und eine umfangreiche, lange Spielanleitung.
Alles Material ist von guter Qualität, das Spielbrett stabil, die Karten fest und die Pappe dick, auch kleine Marker sind massiv genug, dass sie der Wind nicht so schnell wegweht oder sie leicht in die Sofaritze verschwinden. Alle Stücke sind dabei farbenfroh und gut unterscheidbar bedruckt, Waldhexe sehen aus wie Wälder, Wappen sind aufwändig gestaltet und stimmungsvoll, alle Karten reich illustriert. Man hat sich sogar die Mühe gegeben, einen kompletten Kartensatz für jeden Spieler mitzugeben, der auf einzelnen Karten noch einmal eine Übersicht über verschiedene Regeln, Geländeteile und Einheiten gibt, so dass jeder immer genau die Regeln zur Hand hat, die in einem Spielzenario gerade benötigt werden.
Die Plastikminiaturen sind detailliert gestaltet und aus grauem robustem Weichplastik gefertigt. Das führt einerseits dazu, dass sich die Figuren in der Packung verformen können, aber dafür brechen keine Teile ab, wenn mal etwas gestopft wird oder jemand versehentlich auf eine Figur tritt. Days of Wonder ist so weit gegangen, dass von gleichen Einheiten verschiedene Figuren existieren, so gibt es etwa zwei Reitermodelle und drei verschiedene Infanteristen, obwohl es für das Spiel nicht unbedingt nötig gewesen wäre, da Einheiten mit verschiedenen Fähnchen markiert werden, die sich austauschbar auf die Figürchen stecken lassen (wobei die Standardkonfiguration fertig beflaggt in der Packung steckt). Da es im Grundspiel neben den normalen Fußsoldaten, Schützen und Kavalleristen auch noch Einheiten von Goblins und Zwergen gibt, stehen für diese Einheiten nicht nur eigene Modelle zur Verfügung, sondern diese sind mit andersfarbigen Basen (Goblins grün und Zwerge braun) von den gewöhnlichen Einheiten farblich abgehoben.
Die Miniaturen können hartgesottene Tabletopspieler wohl nicht vom Hocker hauen (und sollten auch nicht bemalt werden, wenn man sie immer einfach in die Packung stopft), sind aber für ein Gesellschaftsspiel überragend.
Die Spielanleitung verdient noch einmal besondere Beachtung: Das dicke, vollfarbige Heft mit Leimbindung erklärt die Regeln sehr verständlich mit vielen Fotos, Zeichnungen und Diagrammen Schritt für Schritt, wobei auch Sonderfälle und mögliche Fragen sofort geklärt werden. Der Umfang des Heftes kann am Anfang recht abschreckend sein, aber man merkt schnell, das man schnell voran kommt und schon nach kurzem Lesen hat man die Grundzüge des Spiels begriffen.
Ein weiteres dickes Plus ist, dass die Regeln Schritt für Schritt kapitelweise erklärt sind - nach den ersten paar Seiten hat man das Prinzip der Bewegung von Einheiten und das Abwickeln von Kämpfen verstanden und kann sofort mit dem Spiel beginnen, ohne sich zuerst einmal um Magie, Goblins und Zwerge und Gelände zu kümmern.
Das begleitende Szenarioheft unterstützt die Regeln dabei, indem die Szenarien nach und nach immer komplexer werden und immer mehr Einheiten, Geländeteile und weitere Komplkationen hinzufügen, so dass man sich das vollständige Regelsystem nach und nach sozusagen durch ein Tutorial erspielt.
Auch das Szenarioheft ist sehr übersichtlich gestaltet und listet etwa die benötigten Geländeteile neben der Karte mit der Startaufstellung noch einmal auf, erinnert an Regeln, die vielleicht eine besondere Rolle beim Szenario spielen könnten und ist generell so gestaltet, dass man auch schnell bestimmte Dinge noch einmal nachschlagen kann. Außerdem hat jedes Szenario einen Stimmungstext, der das Spielgetümmel in einen atmosphärischen Kontext setzt. Sind es am Anfang noch historische Szenarien wie die berühmte Schlacht von Agincourt (Heinrich V. mehr oder weniger allein gegen zig tausend Franzosen, wenn wir Shakespeare glauben dürfen), wird allerdings das Setting spätestens mit der Einführung von Goblinsöldnern phantastischer.
Das Spiel
Ein Spiel "Battlelore" ist immer eins der zahlreichen in der Box enthaltenen oder online herunterladbaren Szenarios. Diese geben teilweise zwar vor, dass die Spieler bestimmte Ressourcen auswählen können, sind aber generell festgelegt. Eine Möglichkeit, selbst nach einem Punktesystem Schlachten zu gestalten sieht das Spiel nicht vor, allerdings bietet Days of Wonder auf der Homepage einen Editor für eigene Szenarien an, die sich dort auch veröffentlichen lassen und zahlreiche Fanszenarien liegen dort schon vor.
Wenn alle Geländeteile gelegt sind und jeder Spieler seine Armee aufgestellt hat, kann es losgehen.
Jeder Spieler verfügt über eine bestimmte Anzahl von Kommandokarten, aus denen er auswählt. Jede Karte erlaubt es, eine bestimmte Anzahl von Einheiten auf dem Feld zu aktivieren. Sektionskarten lassen einen Einheiten aktivieren, die sich in auf der Karte festgelegten Teilen des zu diesem Zweck in drei Sektionen aufgeteilten Schlachtfeldes befinden. Außerdem gibt es noch Taktikkarten, die einen eine Anzahl beliebiger Einheiten oder Einheiten einer bestimmten Art aktivieren lassen oder solchen Einheiten stärkere oder spezielle Angriffe zugesteht.
In einer Bewegungsphase kann der Spieler dann die aktivierten Einheiten positionieren. Wie weit sich eine Einheit bewegt, hängt von ihrer Art ab (Fußvolk oder Kavallerie) und von ihrer Qualität, die durch die Fähnchenfarbe der Truppe festgelegt sind - Kämpfer mit einem grünen Banner sind wirklich auch "grüne Jungs", blaue Einheiten der Standard und Rote absolute Elitetruppen. Je besser eine Einheit ist, desto langsamer ist sie allerdings auch.
Sind alle Einheiten gezogen, kommt es zum Kampf. Nur aktivierte Truppen dürfen kämpfen und verwenden je nach Qualität und Modifikatoren etwa durch Gelände oder Kommandokarten einen bis sechs Würfel zum Angriff.
Die sechseitigen Würfel können etweder einen grünen, blauen oder roten Helm, ein Schwert, eine Fahne oder einen glitzernden Kristall zeigen. Für jeden Helm in der Farbe der angegriffenen Einheit erleidet diese einen Verlust, ebenso manchmal für das Schwertsymbol (was von der auf dem Banner abgebildeten Waffenart der Einheit abhängt), für jedes Fähnchen muss sich die angegriffene Einheit zurückziehen und erleidet eventuell dabei weitere Verluste.
Für jeden Treffer, den die Einheit kassiert, wird eine Miniatur entfernt, von denen die Einheit von Anfang an vier (Infanterie) oder drei (Reiterei) besitzt. Wenn der letzte Kämfer fällt, ist die Einheit besiegt und beschert dem Angreifer einen Siegpunkt.
Nachdem alle Einheiten gekämpft haben, zieht sich der Spieler eine neue Kommandokarte und der Gegner ist am Zug.
Der normale Kampf wird durch Gelände und verschiedene Zusatzeinheiten aufgelockert, wie etwa die Zwerge, die eine gegen sie gewürfelte Rückzugsflagge ignorieren dürfen und als Einzige über die schlagkräftige Armbrust als Waffe verfügen, die Goblins, die einen Sturmangriff ausführen können, sich aber für jede Fahne unter Verlusten zwei Felder zurückziehen müssen oder Kreaturen, wobei der Grundbox nur eine Riesenspinne beiliegt.
Neben dem "Battle"-Teil hat "Battlelore" aber auch noch einen "Lore"-Aspekt: Je nach Szenario stehen den Spielern Berater und Kreaturen zur Seite. Ein Kriegsrat kann maximal aus einem Kommandanten, einem Zauberer, einem Krieger, einem Kleriker und einer Schurkin bestehen, die jeder über einen Level von eins bis drei verfügen.
Im Spiel mit einem Kriegsrat erhält jeder Spieler eine Menge von Machtkarten, deren Anzahl vom höchsten Level der Berater abhängt und hat die Möglichkeit, durch Aktionen im Spiel oder am Ende jeder Runde Machtpunkte zu sammeln. Pro Runde kann eine Machtkarte eingesetzt werden, was je nach Karte eine Anzahl von Machtpunkten kostet. Die Karten können magische Angriffe, Abwehr gegnerischer Karten, Heilung von Truppen, Stärkungszauber und Ereignisse sein. Machtpunkte braucht man auch, um Spezialfähigkeiten von Kreaturen auszuführen.
Darüber hinaus haben die Berater auch weitere Funktionen: Der Level des Kommandanten bestimmt die Zahl von Kommandokarten, die ein Spieler auf der Hand halten kann, alle Berater ermöglichen es, bestimmte Gebäude einzusetzen, wenn sie den höchsten Level besitzen (Machtquelle für den Magier, Heilbrunnen für den Priester, Trainigscamp für den Krieger, Schurkenquartier mit Geheimgang für die Schurkin).
Egal, ob mittelalterliche Szenarien oder Fantasykämpfe mit Kriegsrat und Kreaturen, "Battlelore" spielt sich schnell (meist um eine Stunde) und rasant, einerseits sehr taktisch, da es gilt, Karten und Einheiten klug einzusetzen, da jede sinnlos geopferte Einheit den Gegner dem Sieg einen Schritt näherbringt, andererseits ist der Sieg aber auch ziemlich von Würfelglück und den richtigen Karten auf der Hand abhängig. Und natürlich gehört auch ein wenig Bluff dazu, weil ja der Gegner nicht weiß, welche taktischen Optionen man gerade selbst auf der Hand hat.
Ähnlich wie bei seinem Verwandten "Memoir '44" wird sich wahrscheinlich schnell eine kleine Gemeinde von begeisterten Profis um das Spiel bilden, die jede Möglichkeit von "Battlelore" ausprobieren und komplizierte Vorgehensweisen in verschiedenen Szenarios austüfteln werden, andererseits ist das Spiel aber auch absolut familiengeeignet - wenn das vollständige Regelsystem verwendet wird, können sogar mehr als zwei Leute teilnehmen, indem auf jeder Seite ein Spieler die Armee und einer den Kriegsrat übernimmt.
Support
"Battlelore" ist gleichzeitig auf Deutsch, Englisch und Französisch erschienen, da alle drei Versionen von Days of Wonder sind, besteht zwischen ihnen von der Qualität des Materials bis hin zu der der Übersetzung oder zum Preis kein Unterschied. In jeder Spielbox ist ein Code, mit dem der Besitzer einen Account auf der ebenfalls dreisprachigen Days of Wonder-Homepage einrichten kann (auf der das Spiel auch zu erwerben ist). Das bietet mehrere Vorteile: Man erhält Zugang zum Forum, um sich mit anderen Spielern (und auch den Entwicklern, allerdings nur auf Englisch) auszutauschen, kann online vier von den "kleineren" Spielen von Days of Wonder um Punkte spielen, kann Spieler in seinem Postleitzahlenbereich suchen und es gibt einen leicht zu bedienenden Editor, der im Browser läuft und mit dem sich jeder eigene Szenarios für das Spiel zusammenstellen kann. Solch ein selbstgebautes Szenario lässt sich dann auch für die Allgemeinheit auf der Seite veröffentlichen und es liegen bereits zahlreiche Fanszenarien zu historischen Schlachten, Fantasybüchern wie "Der Herr der Ringe" oder "Das Lied von Eis und Feuer" oder einfach taktisch herausfordernden Aufstellungen vor.
Generell unterstützt einen die Seite gut, so kann man dort etwa eventuell fehlende Miniaturen reklamieren und es gibt ein Tutorial, um arg verbogene Minis wieder in Form zu bringen. Auch Würfel, bei denen in der ersten Auflage des Spiels ein Produktionsfehler vorlag können dort reklamiert werden und werden kostenfrei ersetzt.
Für die Zukunft sind Erweiterungen für das Spiel geplant, die neue Gelände, Karten und weitere Einheiten enthalten werden, außerdem verspricht das Grundspiel eine "Epic"-Variante, an der mehr als zwei Spieler gegeneinander antreten können - auf der Rückseite des Spielplans in der Grundbox ist schon der Teil eines größeren Schlachtfeldes aufgedruckt.
Schon jetzt existieren zwei Blister mit Werbefiguren (Ein Erdelementar und ein Felsriese), die glückliche Vorbesteller wie ich schon ihr Eigen nennen dürfen.
Insgesamt war ich vom Umfang und von der Professionalität des Supports ziemlich beeindruckt und hoffe bald auf die Erweiterungen.
Fazit
"Battlelore" ist ein tolles Strategiespiel mit Spielmaterial von hoher Qualität, das eine breite Masse von Rollen- Brett- und Tabletopspielern ansprechen dürfte. "Battlelore" ist kein komplettes Hobby wie "Warhammer" oder "Heroclix", hat aber natürlich den Vorteil, dass alles, was man fürs Spielen braucht, schon im Karton ist.
Für jeden, der seit "Risiko" kein spannendes Strategiespiel mehr gefunden hat, der ein aufwändiges und abwechslungsreiches Brettspiel für zwei sucht, es leid ist, astronomische Geldmengen für Clix- und Tabletoparmeen zu verbraten, jüngere Verwandte oder den Partner ins Miniaturspielhobby ködern will, komplizierte Regeln nicht versteht, Hexfelder liebt, von "Memoir '44" oder anderen "Command & Color"-Systemen begeistert war, etwas Neues sucht oder schnell noch ein Geschenk braucht, wird sich ein näherer Blick auf "Battlelore" lohnen.
Name: Battlelore
Hersteller: Days of Wonder {jcomments on}
Sprache: Deutsch, Englisch und Französisch
Spieler: 2
Spieldauer: ca. 1/2 bis 1 1/2 Stunden
Empf. VK.: ca. 60 Euro
Komplexität: leicht zu erlernen