Guided Lands
Guided Lands ist ein universelles Regelsystem für TableTop-Schlachten mit Fantasyfiguren im Maßstab rund um 28 mm. Das Ziel des Spiels ist es, dass jeder Spieler anhand der Richtlinien im Buch aus seiner Sammlung von Fantasyminiaturen eine kleine Truppe zusammenstellen kann, die dann gegen entsprechende Einheiten anderer Spieler zieht.
Das Heft bietet auf weniger als 100 Seiten im Softcover einige schwarz-weiße Illustrationen, die jedoch bestenfalls durchschnittlich sind und oftmals eher wie Gekritzel aussehen. Das farbige Cover des Künstlers erweckt zunächst den Eindruck, einen Quellenband für ein obskures asiatisches Rollenspiel vorliegen zu haben, ein Stil, der sich im Inneren noch ein wenig wiederholt und zusammen mit den westlich angehauchten Fantasy-Stereotypen einen wilden und nicht unbedingt stimmigen Mix erzeugt. Auch wenn das Papier und der Druck keine Wünsche offenlassen, so hat man auf den ersten Blick nicht unbedingt das Gefühl, ein professionelles Werk für seine 22,50 Euro ergattert zu haben. Dieser Eindruck wird durch das sehr schlichte, zweispaltige Layout und die vielen langweilig wirkenden Tabellen verstärkt. Optisch animiert das Werk somit nicht unbedingt zum Kauf. Auch dass ein deutsches Team für den deutschen Markt ein Spiel mit einem englischen Titel veröffentlicht irritiert mich etwas, vor allem da er auf ein Setting Bezug nimmt (Geführte Länder?) das nicht existiert.
Nun sind nicht einmal 100 Seiten denn ausreichend, um ein universelles Skirmish-System zu etablieren? Schauen wir mal.
Das Buch beginnt nach dem Vorwort mit einer 15-seitigen Kurzgeschichte. Moment mal… sollte es nicht ein generisches Regelsystem ohne Welt sein? Ja, eigentlich schon, aber die Geschichte, in der eine Gruppe böse Söldner entflohene Sklaven und Rebellen verfolgt, gefiel den Autoren so gut, dass sie sie ins Buch genommen haben. Das halte ich aus mehreren Gründen für problematisch, da Guided Lands eben kein Setting hat und die Geschichte satte 15 der 96 Seiten des Buches einnimmt! Ab Seite 26 geht es dann mit den Regeln los.
Das System verzichtet dabei weitestgehend auf Attribute, wie man sie aus anderen Tabletops kennt und setzt auf fixe Werte und Ausrüstung. Das System basiert auf einem W8 und mehreren W6 pro Spieler. Eine Figur trifft eine andere im Nahkampf unmodifiziert bei 3+ auf dem W8, im Fernkampf bei 4+. Das wird durch einige Ausrüstungsgegenstände modifiziert. Trägt der Gegner ein kleines Schild, gibt es -1 auf den Wurf, ein großes schlägt bereits mit -2 für den Angreifenden zu Buche. Bewegt sich der Angreifer in der gleichen Runde, gibt es -1, benutzt er eine Hiebwaffe, so gibt es +1. Ja, wenn eine Hiebwaffe wie eine Axt eingesetzt wird, dann trifft man im Nahkampf normalerweise bei 2+ auf einem W8! Beim Schaden kommt dann immer der W8, plus eine Anzahl weiterer W6 dazu, die bei der Waffe angegeben sind. Mit den Schadenswürfeln muss mindestens der Verwundungswert des Ziels erreicht werden, um ihm einen Lebenspunkt anzuziehen. Modelle haben mehrere Lebenspunkte, deren Mindest- und Höchstwerte von deren Größe definiert werden. Neben dem Verwundungswert, hat jedes Modell auch einen Tod-Wert. Wird dieser mit dem Schaden erreicht, spielen die Lebenspunkte keine Rolle und das Modell stirbt sofort.
Die Würfe des W8 sind nach oben offen, die W6 jedoch nicht. Das heißt jedoch nicht, dass der Wurf auf dem W8 bei einer 8 dann neu gewürfelt und das neue Ergebnis drauf addiert wird… zumindest nicht nur, denn der würfelt „explodiert“ bei einer 7 und 8. Nun, die maximalen Modifikationen auf den Wurf reichen nur bis zu 7. Eine gewürfelte 7 ist also immer ein Treffer, die 8 dann sowieso. Wie kommt es zu einer so seltsamen Mechanik, bei der der W8 bei zwei Zahlen, die W6 aber nicht nach oben offen sind? Guided Lands ist ein Kompromiss, da das ursprüngliche System siebenseitige Würfel vorsah. Ja, siebenseitige Würfel, steht auch so noch mal auf Seite 92 bei den Anmerkungen des Regeldesigners. Weil aber außer seiner Runde (verständlicherweise) niemand diese Würfel einsetzt, verwendet das Spiel nun sechs- sowie achtseitige Würfel. Während bereits ein hochgewürfelter W8 beim Schaden den Unterschied zwischen Verletzt und Tod ausmacht, hat ein hohes Ergebnis beim Treffen keinerlei Auswirkungen.
Leider finden sich solche Absonderlichkeiten überall im Regelwerk. Es sind Relikte aus sieben Jahren Spielentwicklung, die man immer mitgeschleppt hat, ohne noch einmal zu hinterfragen, wie sinnvoll das ist. Ein anderes Element ist etwa die Berechnung der Bewegungsweite. Auf einer Reichweitentabelle mit zehn Einträgen muss man eintragen, wie schnell sich ein Vertreter der Rasse bei einer bestimmten Belastung (die durch Ausrüstung verursacht wird) bewegen kann. Nimmt die Belastung zu, wird das Modell langsamer. Das ergibt keinen Sinn, da die Autoren selbst noch darauf hinweisen, dass man Modelle danach erstellen sollte, welche Ausrüstung sie erhalten sollen. Effektiv wählt man also nur exakt einen Bewegungswert aus und die restlichen sind irrelevant.
Das Initiativesystem des Spiels ist jedoch ziemlich interessant. Pro Einheit wird ein Initiativewert ermittelt, der sich aus der Grundinitiative, dem beigefügten Offizier und gegebenenfalls der Entfernung der Einheiten untereinander zusammensetzt. Dieser dynamische Wert wird auf eine Karte oder ein Stück Papier notiert. Wer die niedrigste Initiative hat, muss zuerst eine Karte legen, der andere Spieler kann dann entscheiden, eine höherwertige Karte einer seiner Einheiten darauf abzulegen. Möchte oder kann jemand keine Karte mehr ablegen, wird die Phase abgehandelt und alle Einheiten, deren Karte abgelegt wurde, werden aktiviert. In der Reihenfolge von oben nach unten. Ergo wird die langsamste Einheit zur Aktion gezwungen, kann aber erst nach allen anderen agieren. Das ist ein geschickter Mechanismus, der das Spiel dynamisch hält und man sehr genau überlegen muss, welche Einheit man nun in welcher Phase aktiviert, um den Gegner auszutricksen. Besonders gemeine oder taktisch versierte Spieler zerschießen auch gerne die Formation der gegnerischen Einheit (bzw. töten ein Modell in der Mitte, so dass eine Lücke entsteht) und senken dadurch die effektive Initiative solange auf 0, bis die Einheit wieder zusammenrückt.
Es gibt noch ausführlichere Regeln für das Spielen mit Kriegsmaschinen sowie Magie, wobei die übersichtliche Zahl der Zaubersprüche künstlich verdoppelt wurde. Die Zauber der negativen Beeinflussung haben die gleiche Funktion wie die Zauber der positiven Beeinflussung… nur halt umgekehrt. So erhöht der Zauber Rüstung den Tod-Wert der betreffenden Figur, der Zauber Schwächung senkt ihn. Irritierend ist der Abschnitt über Monster. Damit sind alle Wesen gemeint, die entweder sehr klein oder sehr groß sind… oder alles dazwischen. Ich habe ehrlich gesagt nicht verstanden, wieso zum Ende hin noch einmal die bisherigen Regeln zur Erstellung von Figuren wiederholt wurden. Wiederholt, aber auch erweitert und mit anderen Kosten versehen! Während ein reguläres Modell für einen Todeswert von 14 beispielsweise 30 Punkte ausgeben muss, investieren Monster für das gleiche Attribut 32 Punkte. Monster sind nicht unbedingt Einzelwesen, sondern können auch Truppen bilden. Wie gesagt, ich verstehe schlicht nicht, wieso nicht ein System verwendet wurde.
Das allergrößte Problem von Guided Lands ist aber der Aspekt, den es gleichzeitig hervorstechen lässt. Keine Armeelisten zu haben und jedem Spieler zu ermöglichen, eigene zu kreieren, führt zu fürchterlich unbalancierten Armeen auf dem Schlachtfeld. Ich hatte mit meinem Mitspieler, einem der Ko-Autoren des Spiels, eine 1000-Punkte-Schlacht ausgemacht und schaute etwas verdutzt, als er mit einem Dutzend Figuren auftauchte und noch erwähnte, dass die Hälfte eher Kanonenfutter sei. Ich setzte dann knapp 30 Zombies und eine Handvoll Wolfenkrieger auf den Tisch, da ich eigentlich ausprobieren wollte, wie sich Figuren am extremen Ende der Punktekosten (Minimalkosten sind 15, meine Zombies kosteten 16) und eine Einheiten mit Elitestatus (oder den ich dafür hielt), die mehr als 100 Punkte pro Modell kosteten. Mein Mitspieler zeigte sich verwundert über die hohe Geschwindigkeit meiner Zombies und ich war irritiert darüber, dass er mehr als ein Drittel seiner Punkte in ein einziges Modell gesteckt hatte. Schnell zeigte sich, dass die Lebenspunkte nur selten eine Rolle spielten. Erstaunlicherweise wurden meine Elitewolfen trotz hoher Verletzungs- und Todesschwelle schnell mit explodierenden Würfen ins Jenseits befördert, die schwächeren Zombies verloren aber nach und nach ihre Lebenspunkte und behinderten die Einheiten meines Gegners durch das gesamte Spiel.
Da Verwundungen auch keine Abzüge auf Würfe zur Folge haben, kann sich das Spiel bei Figuren mit vielen Lebenspunkten in die Läge ziehen, da diese weiterhin effektiv kämpfen. Jedenfalls bis sie durch einen Zufallstreffer beim explodierenden Schaden dahingerafft werden. Das Zusammenspiel von nach und nach herunter zu prügelnden Lebenspunkten und Glückstreffern die direkt ausschalten ist gewöhnungsbedürftig und macht das Spiel langsamer, als es sein könnte.
Was ich nicht verstehe, ist das komplette Fehlen eines Kampagnensystems. Viele Skirmish-Systeme setzen darauf und Guided Lands schreit gerade mit seinen Anlehnungen an Rollenspielsysteme nach so etwas. Das Spiel heißt Guided Lands, wieso kann ich keine Länder erobern, plündern und für meine Zwecke einsetzen? Stattdessen gibt es eine 15-seitige Geschichte für ein Setting, dass nicht Teil des Spiels ist und viele Seiten am Ende, die vor allem weiß zeigen.
Irritierend ist auch das Fehlen von Initiativekarten oder zumindest Vordrucken für diese, obwohl das ein essentieller Teil des Spiels ist. Allerdings fehlen auch die eigentlich notwendigen Marker für Lebenspunkte oder etwa ein Hinweismarker, dass das Modell in dieser Runde bereits seine passive Aktion wie Reflexschuss oder Parade genutzt hat. Diese sind auch nicht auf der Homepage des Spiels http://www.smiling-monster.de zu finden, allerdings kann man dort weitere Bögen und Spielhilfen aus dem Buch herunterladen.
Guided Lands hat mir nicht gefallen. Das liegt in erster Linie daran, dass freie Tabletop-Systeme ohne Bezugspunkte nicht funktionieren können. Andere Systeme balancieren die Kosten und Fähigkeiten von Einheiten gegen andere im Spiel aus und errechnen daraus ihre Kosten. In einem freien System ist das nicht möglich und die festen Kosten führen unweigerlich zu unbalancierten Armeen, was wiederum für Frust sorgt. Dazu kommt ein inkonsequentes Regeldesign, was dem eigentlich flotten Spiel die taktische Tiefe nimmt, die es sich selbst durch das tolle Initiative-System gegeben hat.
Titel: Guided Lands
Verlag: Smiling Monster Games
Autor: Jörg Weseloh
Grafiken: Bernd Göwe, Michael Mittag, Tu Peishu
Sprache: deutsch
Empf. VK.: 22,50 Euro
Seiten: 96{jcomments on}