Hard Corps Uprising
Lust auf eine überaus obskure Nerd-Geschichtsstunde? Nun, legen wir los …
Eines der ersten Spiele, die ich seinerzeit auf dem SNES gespielt habe, war Super Probotector, die folgerichtige Fortsetzung von Probotector auf dem NES bzw. in den Spielhallen. Es war ein Titel, der für mich vieles verändert hat und vermutlich mein erster Kontakt mit dem war, was man heute 'set piece moments' nennt, also aufwendige und meist actionbetonte Sequenzen von denkwürdiger und eindrucksvoller Inszenierung.
Was mir damals gar nicht klar war, war, auf die vielleicht coolste Ausgeburt von Zensur zu stoßen, die Konami zu bieten hatte, denn eigentlich war Probotector Contra und die beiden Roboter, die man spielen konnte, waren eigentlich hartgesottene Söldner. Das war aber offenbar zu hart für uns zart besaitete Europäer und so bekamen wir, nun, Probotector.
Nach diesen Highlights wurde es aber schnell dünn. Es gab noch ein Probotector auf dem Mega Drive sowie einige Contra-Titel auf späteren Konsolen, die aber meist wenig Ruhm ernten konnte.
Was das alles mit diesem Titel zu tun hat? Nun, dazu muss man einen letzten Nationalsprung vollführen, denn das Mega-Drive-Spiel Probotector hieß im Original Contra: Hard Corps – und plötzlich kann man erahnen, warum Hard Corps: Uprising ganz selbstverständlich eine indirekte Fortsetzung von jenem Super Probotector ist, das ich einst so geliebt habe.
Nach Contra 4 auf dem Nintendo DS und Contra ReBirth auf der Wii stellt dieser nun über XBLA und PSN veröffentlichte Download-Titel also einen dritten, von den Kritikern mehrheitlich positiv aufgenommenen neuen Titel der ehrwürdigen Reihe dar. Zu Recht?
Nun, durchaus.
Nachdem man von dem vertrauten Contra-Jingle im Hauptmenü empfangen wurde – der einzige direkte Hinweis auf eine Verbindung der Reihen übrigens – und man sich in das Spiel stürzt, bemerkt man schnell, dass vieles gleich geblieben ist. Man läuft von links nach rechts durch diverse Szenerien und lässt den Feuerknopf eigentlich nur in Ausnahmefällen los. Dabei gibt es – das kommt aus Super Probotector – zwei Waffenslots, zwischen denen man stetig wechseln und in die man verschiedene Extras packen kann. Dabei gilt: Wird man getroffen – und das wird gerade anfangs sehr oft passieren – verliert man den Inhalt des gerade aktiven Slots. Fliegende Kapseln, die normalerweise in den sadistisch-unpassendsten Momenten zügig von rechts nach links durch das Bild flitzen, bieten Nachschub an Feuergeräten, sofern man sie nicht versäumt zu treffen. Neu ist, dass das mehrfache Aufsammeln der gleichen Waffe im gleichen Slot die Waffen in bis zu drei Stufen aufrüsten kann.
Die Steuerung ist in etwa so wie damals auf dem Super Nintendo: Laufen mit dem Steuerkreuz (oder Analog-Stick), springen und feuern sowie Waffenwechsel mit den üblichen Tasten, Strafing und stationäres Feuern sowie ein Dash über die Schultertasten. Alles soweit gewohnte Kost. Ebenfalls gewohnt für Fans der Serie ist der irrsinnige, teilweise fast schon alberne Schwierigkeitsgrad. Aber wie schon zuvor ist das vor allem eine Frage der Lernphasen, denn während man sich im ersten Anlauf noch in einer sicherlich halbstündigen Eskapade durch den Level stirbt, rennt man schon nach einigen Stunden der Übung in unter 15 Minuten hindurch und stirbt … seltener. Ändert aber nichts daran, dass der Schwierigkeitsgrad insbesondere bei Endgegnern irrsinnig sein kann und gerade der letzte Boss, passend „Tiberius Invictus“ getauft, wird nicht ohne Fluchen zu bezwingen sein.
Hilfreich ist dabei, dass man einen Lebensbalken hat und daher nicht bei jedem Treffer sofort stirbt. Das war in Contra: Hard Corps auch schon so – anders übrigens als in der PAL-Version, fragt mich aber nicht warum. Wer aber in einen Abgrund fällt, ist dennoch sofort ein ganzes Leben quitt. Dazu gleich noch mehr.
Ein neues Herzstück des Spiels ist der so genannte „Uprising“-Modus. Der steht in Abgrenzung zum „Arcade“-Modus und ist, im Grunde, vor allem eine große Einladung zum Grinden. Jeder absolvierte Level gibt Punkte, CP getauft, mit denen man seinem Charakter neue Eigenschaften und Features kaufen kann. Mehr Lebensenergie, mehr Leben, eine schnellere Feuerrate oder eine bestimmte Sonder-Waffe gleich zu Level-Beginn sind nur einige der Extras. Das ist erstaunlich motivierend, selbst für Verächter derartiger Kost wie mich, und macht das Spiel zudem auch weniger schwer. „Leichter“ sag ich bewusst nicht.
Neu ist auch die Präsentation. Das Spiel hat einen riesigen Sprung hin zum Bereich Anime gemacht und auch wenn mir die Fachkritiken teils widersprechen, so fand ich den Stil direkt sehr, sehr ansprechend. Sämtliche bewegten Figuren sehen phantastisch aus und auch wenn Hintergründe sowie gelegentliche Polygon-Gegner nicht gerade der Szene schönste Kreationen sind, so fetzt das Spiel ordentlich und läuft auch durchweg flüssig.
Ein Highlight ist zudem der Soundtrack von Metal- und Rock-Musiker Daisuke Ishiwatari, der mich persönlich in besten Momenten ein wenig an Soundtracks der Marke Saber Rider erinnert hat; was ich durchweg positiv meine. Die Musik ist flott, treibt gut an und war einer der Gründe, weshalb ich auch im fünften oder sechsten Anlauf nicht die Lust an den kniffligen Stellen verloren habe.
Der letzte Endgegner spricht seine fünf oder sechs Sound-Samples eindeutig zu oft und anhaltend in zu kurzer Zeit, aber abgesehen davon weiß auch das Sound-Design vollends zu gefallen.
Eine Story hat das Spiel auch, hier beginnen wir aber mit der Kritik. Gerade auch so im Kontext einer Rollenspiel-Seite kann ich guten Gewissens sagen: Da steckt Potential in dem Titel. Beide von Anfang spielbaren Charaktere, der Söldner Bahamut und die Freiheitskämpferin Krystal, haben interessante Hintergründe und zwischen den Leveln entfaltet sich theoretisch eine Geschichte, aus der man auch eine schöne Mini-Kampagne würde stricken können, wenn man wollte.
Ich sage jedoch theoretisch, denn leider beschränken sich diese Elemente auf ca. 15 Zeilen Text pro Figur pro Level, was an Präsentation schon fast erbärmlich zu nennen ist. Da täuscht auch der bildschöne Anime-Vorspann nicht drüber hinweg.
Aber ist das alles an Kritik? Leider nein.
So hat man auf jeden Fall ausreichend Gelegenheit, diese 15 Zeilen zu studieren, denn die Level laden … lang. Und ich meine das nicht nur relativ: Gemessen laden die einzelnen Stages auf der Box rund 95 Sekunden lang. Anderthalb Minuten!
Sicher, dafür läuft das Spiel ab da auch die komplette Mission gerade durch, was wie gesagt, je nach Können, zwischen 10 und 30+ Minuten sein können. Aber dennoch ist das sehr, sehr, sehr lang. Zu lang.
Allerdings gibt es zwei Elemente in der Spielmechanik, die für mich noch deutlich schwerer wiegen. Zum einen ist das Energie-System des Spiels in sich „kaputt“, beziehungsweise inkonsequent gestaltet. Wie ich schon sagte, kosten einen Stürze ins Bodenlose direkt ein ganzes Leben. Wenn man aber nun nicht einen, sondern gleiche mehrere Endgegner so konzipiert, dass man an Wänden hängend über Abgründen gegen sie kämpft und man doch als Designer weiß, dass man von Wänden nach dem ersten Treffer schon fällt, dann muss einem doch zugleich klar sein, dass man damit den ganzen Mechanismus aushebelt. Gleiches gilt für eine Reihe von „Fallen“ im Spiel, die ebenfalls nach Manier „Treffer-Tod“ funktionieren, aber gerade die Endgegner verstehen es, einen zu ärgern.
Dazu kommt dann noch, dass einen das Spiel manchmal an Orten absetzt, die den sicheren Tod bedeuten werden. Das können Plattformen sein, die bereits einbrechen, als der Charakter dort erscheint, oder aber auch schlicht Situationen, in denen man dann neben der Wand erscheint und einfach wieder nach unten fällt.
Besonders in mein Herz gebrannt hat sich eine Situation im letzten Level, wo man von oben auf eine Rakete springen muss, dann schnell unter sie schwingen und daran dann unter einem Hindernis hindurch soll. In mehr Fällen als nicht führte es aber dazu, dass ich an der Rakete vorbei in die Tiefe fiel und dann an diesem Hindernis hängend (!) wieder erschien, der Bildschirm aber zugleich schon so weit der Rakete gefolgt war, dass ich mich am linken Rand schon kaum mehr sehen konnte, erst Recht aber keine Chance hatte zu schauen, wann denn wohl die nächste Rakete kommt.
Sehr ärgerlich, weil frustrierend.
Eine letzte Frechheit ist, dass zwar zwei Charaktere mitgeliefert werden, andere dann aber nur per DLC gekauft werden können. Das ist Abzocke, ohne Wenn und Aber.
Dennoch kriegt Hard Corps: Uprising, nicht nur wegen dem unglaublichen Kalauer-Titel, meine klare Empfehlung. Sicher, alte Titel der Reihe, insbesondere die SNES-Version, waren weitaus geschliffener und wer dort starb, war es auch selber Schuld. Heute ist er es halt fast immer, manchmal wird er auch Opfer der Engine.
Nichtsdestotrotz ist das Spiel flott, spannend, sehr fordernd, sieht gut aus, hat eine nette Atmosphäre, eine akzeptable Story für die drei Leute, die die Texte echt lesen werden und kann gerade durch den Uprising-Modus auch länger bei der Stange halten.
Zu dem Zeitpunkt, an dem ich das hier schreibe, habe ich jedenfalls schon mehr Zeit in das Spiel gesteckt als ich bei einigen Vollpreistiteln gebraucht habe, um es durchzuspielen und zu vergessen.
Hard Corps Uprisign ist als Download-Titel über XBLA für 1200 Microsoft Points und über PSN für 12,99 Euro verfügbar. Und sein Geld absolut wert.
Name: Hard Corps: Uprising
Genre: „Run and Gun“
Hersteller / Publisher: Arc System Works / Konami
Gespielt auf der X-Box 360
Auch für PS3 erhältlich{jcomments on}