Baphomets Fluch - Director's Cut
Wir schreiben das Jahr 1996. Es ist Weihnachten, ich bin gerade einmal 13 Jahre alt und Heiligabend steht vor der Tür. 1996, das weiß ich bis heute, war ein feines Jahr für Computerspieler und ich war gerade erst vor Monaten von den Konsolen herkommend herübergewechselt. Das Jahr hatte bereits Command & Conquer: Alarmstufe Rot und Schleichfahrt, Z, Quake und Duke Nukem 3D gebracht, doch all das verblasste für mich, als ich unter dem Tannenbaum Baphomets Fluch vorfand.
Baphomets Fluch, im Original Broken Sword: The Shadow of the Templars, in Amerika aber auch als Circle of Blood bekannt, war ein klassisches Point&Click-Adventure der alten Schule. Die Grafik war klassisch in 2D gehalten und überzeugte durch (für damalige Verhältnisse) brillante Zeichentrick-Film-artige Optik, begleitet von einem meisterhaften Soundtrack und hervorragenden Sprechern.
Aber sein wahres Highlight war die Story: Lange bevor Filme, Computerspiele und Bücher das Templer-Thema für sich entdeckten und molken, bis nichts mehr zu holen war, fußte Baphomets Fluch eine komplexe Krimi-Geschichte auf den alten Mythen. Alles beginnt damit, dass Amerikaner George Stobbart im Herbst Urlaub in Paris macht – und beinahe sein Leben lässt, als ein als Clown verkleideter Attentäter das Café sprengt, in dem er gerade sitzt. Schnell macht er die Bekanntschaft der schroffen, aber schönen Journalistin Nicole Collard und gemeinsam machen sich beide daran, diesem eigenartigen Anschlag auf die Fährte zu kommen.
In der Tradition ernsterer Adventures wie vor allem Meilenstein Indiana Jones und das Schicksal von Atlantis, führte die Handlung George dann von Paris aus auch nach Irland, Spanien, Syrien und Schottland. Überall gab es Rätsel zu lösen, die jedoch im Vergleich zu anderen Titeln des Genres oftmals weitaus näher an der Realität waren und nicht selten auch über die Dialogführung gesteuert wurden – immerhin folgt die Handlung einer Ermittlung, Zeugen sind also stets wichtig. All das ist derart zeitlos, dass das Spiel bis heute fortexistiert hat und im Laufe der Jahre immer wieder portiert wurde, sogar auf exotischere Orte wie den Game Boy Advance. Doch das erste wirkliche Update erhielt das Spiel erst in den letzten Jahren, als mit Baphomets Fluch Director’s Cut eine längere und aktualisierte Fassung des Titels erschien.
Seit vergangenem Jahr ist das Spiel auch über Steam erhältlich und läuft auch auf dem Mac, so dass ich vor einer Weile – 15 Jahre nach meinem Erstkontakt mit George, Nicole und dem Geheimnis der Tempelritter – auch in den Genuss des Director’s Cut gekommen bin.
Wie ich schon schrieb, ist die größte Stärke des Titels seine Handlung und gerade das ist wirklich zeitlos zu nennen. Zwar wird die Geschichte heute wesentlich öfter „Kenn ich schon!“-Reaktionen hervorrufen, da der Templer-Mythos weitaus verbrauchter ist, doch wie letztlich die Puzzlestücke zusammenpassen ist auch heute noch spannend.
Wer das Originalspiel schon kennt, wird gerade in der ersten Hälfte erfreut feststellen, dass eine Menge neuer Szenen eingefügt wurden. Leider tatsächlich nur in der ersten Hälfte, was sich zwar innerlich logisch aus der Handlung ergibt, aber dazu führt, dass alte Hasen ab der Hälfte des Spiels die neuen Aha-Momente verbraucht haben. Schade.
Weitere Aktualisierungen umfassen einige neue Rätsel (leider alle der „Rätselbox“-Tradition entsprechend, sprich Puzzle auf eigenständigen Bildschirmen), schöne Charakterportraits während der Dialoge (gezeichnet von Dave Gibbons, der dank „Watchmen“ bekannt sein sollte) sowie einige milde Veränderungen des bisherigen Spielablaufs. Dort ist vor allem auffällig, dass die wenigen Stellen entfernt worden sind, in denen es möglich war, im Originalspiel zu sterben – das mag modern sein, finde ich aber schade, denn es waren nicht viele, sie steigerten die Spannung, waren fair und teilweise sogar lustig.
Apropos lustig: Trotz einer ernsten und sich vor allem ernst nehmenden Handlung ist Baphomets Fluch ein unglaublich lustiges Spiel. Das ist vor allem den inneren Monologen des Protagonisten geschuldet, der mit trockenem Humor und der von den Machern bewusst gestreuten Arroganz eines Amerikaners in Europa konstant zu unterhalten weiß. Zumal die Steam-Version auch mehrere Sprachen unterstützt, so dass man auch in Deutschland einmal in den Genuss des Originals kommen kann. Nicht missverstehen, die Lokalisierung ist hervorragend, aber die englische Fassung hat noch einmal einen ganz eigenen Charme.
Das hat den angenehmen Nebeneffekt, dass man auch an Stellen, an denen man nicht weiter weiß, immer gut unterhalten wird, selbst wenn man nur Dinge ausprobiert. Wer aber völlig verzweifelt, findet im Director’s Cut aber auch ein gut gestaltetes und nie zu viel verratendes Hilfe-System.
Es bleibt noch eines zu betonen: Das Spiel ist irrsinnig günstig. Für gerade mal 4,99 Euro erhält man den Titel bei Steam, was bei rund 10-14 Stunden Spielzeit ein absolutes Schnäppchen ist. Sicher, die Grafik ist trotz der Verbesserungen nicht mehr auf der Höhe der Zeit, aber das Spiel selber, Rätseldesign wie Story, ist über jeden Zweifel erhaben und unterhaltsam noch dazu.
Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube den Titel seit 1996 sechs Mal durchgespielt zu haben. Der Durchgang mit dem Baphomets Fluch Director’s Cut war demnach Durchlauf Nr. 7 – und es hat noch immer Spaß gemacht.
Und es gibt wenige Titel des Genres, von denen ich das so sagen würde.
Dicke Empfehlung!
Name: Baphomet's Fluch – Director's Cut
Genre: Point'n'Click-Adventure
Publisher: Revolution Software
Systeme: Gespielt unter OS X
Auch für Windows, iOS, Wii und Nintendo DS erhältlich
USK: keine Angabe{jcomments on}