Assassin's Creed 2

Lange Zeit hatte ich mich gegen Assassin's Creed 2 gewehrt, da ich kein großer Freund von Schleichspielen bin. Ein gutes Angebot und die Versicherung aus dem Bekanntenkreis, dass man nicht so viel schleichen müsste, sorgten dann dafür, dass ich mich einmal an die Xbox-360-Version vornahm. Die kleine Hoffnung, dass Jade Raymond, die bezaubernde Entwicklerin des Spiels mir das einmal danken könnte spielte vielleicht auch eine Rolle.

Der Spieler steuert den Barkeeper Desmond Miles, der an einem Projekt der Abstergo-Gesellschaft teilnahm, um die genetischen Erinnerungen seiner Vorfahren zu durchleben. Während man im ersten Teil im Mittelalter mit dem Attentäter Altair Tempelritter in verschiedenen Städten des Heiligen Landes ermordete, entdeckte man nach und nach eine Verschwörung und die Geheimorganisation der Templer, die Artefakte bergen wollen. Die Templer-Organisation reicht bis in die Gegenwart und stecken hinter Abstergo. Nachdem sie die Informationen die sie wollten von Desmond erlangt haben, wollen sie ihn töten, doch die Mitarbeiterin Lucy rettet den verwirrten Barkeeper. Assassin's Creed 2 setzt dann direkt dort ein, wo der Vorgänger aufhörte.

Man flieht mit Lucy in der Gegenwart aus dem Asbergo-Gebäude und in eine Zuflucht der Assassinen-Gilde, wo man mithilfe der Animus-Maschine wieder in die Erinnerungen eines Vorfahren eindringt, um seine Fähigkeiten zu erlernen und einige Fragen zu klären. Leute, die den ersten Teil nicht gespielt haben, werden wohl einige Fragezeichen über dem Kopf aufplöppen, ob der zahlreichen Infos, Konflikte und Fraktionen, die bereits in den ersten Minuten auf den Spieler einrasseln. Mit ging es jedenfalls so.

Sobald man dann aber im Animus liegt und die Erinnerungen startet, nimmt einen das Spiel direkt gefangen. Man beginnt mit der eigenen Geburt! Ein paar Tastendrücke später, haben wir uns ein paar mal gestreckt und der Vater verkündet stolz unseren Namen: Ezio Auditore de Firenze! Als junger Adliger voller Flausen im Kopf und Druck in den Lenden laufen wir dann kurze Zeit später in der Verfolgerperspektive durch Florenz, prügeln uns mit Rivalen, fliehen über Häuserdächer und lernen nach und nach die Mechaniken des Spiels. Doch bald wird unsere Familie in ein Komplott verstrickt und Enzio wird in eine gewaltige Intrige und einen geheimen Krieg verstrickt, der bereits seit Jahrhunderten tobt.

Während wir der sehr spannenden und abwechslungsreichen Handlung um Rache, Geheimorganisatoren, Machtmissbrauch und der politischen Landschaft Italiens von 1480 fast zwanzig Jahre lang folgen, schalten wir immer neue Gebiete der Städte Florenz und Venedig, sowie der umliegenden Landschaften frei. In den Gebieten gibt es neben den zahlreichen und stark unterschiedlichen Hauptmissionen auch eine Unzahl an weiteren Betätigungsfeldern. Man kann sich Wettrennen über die Dächer der Städte mit örtlichen Dieben stellen, untreue Ehemänner für ihre Frauen verprügeln oder bestimmte Personen ermorden. Dazu kann man herumstehende Schatzkisten plündern, um an Geld zu gelangen, Leute bestehlen oder Leichen plündern. Das Geld benötigt man für neue Rüstungsteile, Waffen und den Ausbau der eigenen Stadt.

Diese Stadt, die Enzio sein Onkel Mario überlässt, ist zunächst so heruntergekommen, dass wir uns dafür schämen müssten. Doch mit entsprechenden Geldmitteln kann man die dortigen Läden verbessern, um dort Prozente zu erhalten, weitere Gebäude wie eine Kirche, ein Bordell und eine Diebesgilde errichten und Kunst erwerben, um die eigene Villa zu verschönern. All diese Verbesserungen kosten zwar eine Stange Geld, machen sich jedoch bald bezahlt, denn jede Aufwertung erhöht den Wert der Stadt. Je eindrucksvoller unsere Behausung, desto mehr Geld wird beständig dort erwirtschaftet, dass wir uns dann leider auch vor Ort abholen müssen. Das führt dazu, dass wir im Spielverlauf derartige Geldsummen anhäufen, dass weitere Aufwertungen und der Kauf neuer Ausrüstung banal einfach wird. Zum Spielende hatte ich knapp 700.000 Florentin und das teuerste und beste Schwert kostet ohne Rabatt gerade einmal 50.000.

Sowieso ist Assassin's Creed 2 ziemlich einfach geraten. Wir können durch das Drücken einer bis zwei Tasten frei durch die Städte laufen, klettern und springen, da das System die naheliegenste Aktion wählt, die wir wohl ausführen wollen. So laufen wir auf geradezu absurd flinke Weise über einige Kisten, springen auf einen Holzbanken und von da über eine Häuserschlucht auf ein Dach, von dem wir dann todesmutig in einen Hauhaufen fallen, um einige Verfolger abzuschütteln. Das alles ohne Kombos und Verrenkungen auf dem Gamepad. Das sorgt für ein grandioses, flottes und dynamisches Spielgefühl, aber auch dafür, dass das System ab und zu unsere Eingaben missversteht und uns statt in den Heuhaufen auf das harte Pflaster daneben springen lässt. Neben derartigen Bedienungshilfen sind wir in den zahlreichen Kämpfen aber auch konstant überlegen, selbst bei großen Gegnergruppen. Das liegt vor allem an den Konteraktionen Enzios. Solange wir die Taste zur Abwehr gedrückt halten und gleichzeitig auf den Knopf fürs Zuschlagen hämmern, wehrt Ezio nicht nur die gegen ihn gerichteten Angriffe ab, sondern geht auch zu einem Gegenangriff über, der ungerüstete Feinde umgehend tötet. Sollten Ezio dennoch einmal Schaden erleiden, so kann er Medizin annehmen, die es sehr preiswert an den meisten Ecken bei Ärzten zu erstehen gibt, die wir aber noch einfacher toten Feinden abnehmen können. Wenn unser Ziel überrascht ist, können wir es mit den Unterarmklingen auch mit einem einzigen Angriff töten, auch über überraschend große Distanzen, denn Ezio entwickelt in solchen Fällen geradezu froschartige Sprungkraft, um sein Ziel zu erreichen. Leider gibt es keine einstellbaren Schwierigkeitsgrad, so dass Freunde von kniffligen Herausforderungen eher enttäuscht sein werden.

Was nicht heißt, dass einem das Spiel keine Nüsse zu knacken geben würde. Bei vielen Attentaten geht es darum, den besten Weg über die Dächer zu erkunden und die Wege der Wachen im Auge zu behalten, um an die Zielperson zu gelangen. Auch einen Weg an einem Gebäude hoch zu sammelbaren Gegenständen oder mysteriösen Glyphen zu finden, kann sehr interessant werden. Besagte Glyphen sind im übrigen Erinnerungsfetzen einer anderen Testperson, die an der Animus-Maschine hing und die wir entschlüsseln können, um „Die Wahrheit“ zu erfahren. Diese Rätsel beginnen als simple Verschiebe-Puzzles, Bildersuchen oder einfache Zahlenkombinationen, werden aber immer kniffliger und erfordern bisweilen das Denken um mehrere Ecken. Wer alle 20 dieser Glyphen gefunden und entschlüsselt hat, schaltet eine kurze Filmsequenz frei, mit der man nicht unbedingt gerechnet hat.

Aber das ist nur ein Aspekt eines riesigen Sandbox-Spiels! Es macht wahnsinnig Spaß, einfach durch die Stadt zu rennen und sich dem freien Spiel mit all seinen Möglichkeiten hinzugeben. Ob man nun Federn sammelt, um die traumatisierte Mutter an ihr jüngstes Kind zu erinnern, sich in alten Assassinengrüften wahnwitzigen Kletterpassagen stellt, um die Rüstung von Altair, dem Assassinen aus dem ersten Teil im Keller des eigenen Anwesens freizuspielen oder oder Seiten des Assassinen-Codex sammelt, um die eigene Lebensenergie weiter zu erhöhen und das Eigenheim zu verschönern, es gibt immer was zu tun. Nach und nach findet man auch Kurtisanen, Diebe und Söldner, die man anheuern kann, um bestimmte Aufgaben zu erfüllen, doch ist das nur selten nötig oder sinnvoll. Spaßig ist auch die Datenbank, die sich automatisch füllt, wenn man bestimmte Personen, Orte oder Feste findet. Diese Datenbank enthält tolle Verweise, wie etwa das das Karneval Venedigs mit seinen vielen geschmacklichen Ausfällen und primitiven Spielen ein wichtiger Vorläufer für das heutige Reality-TV wäre. Insgesamt beschäftigt die Game of the Year-Edition von Assassin's Creed 2 erkundungsfreudige Spieler mit 25 bis 30 Stunden sehr abwechslungsreicher Spielzeit.

Die GotY-Edition enthält zwei zusätzliche Episoden der Hauptgeschichte, die vom Hersteller aus dem fertigen Spiel entfernt und später als Zusatzinhalte gegen Geld angeboten wurden. Ja, Ubisoft hat allen ernstes bestehende Spielelemente entfernt, um sie den Käufern später zusätzlich verkaufen zu können. So irritierend und ärgerlich dieses Konzept an sich ist, so sehr kann ich es nach dem Spielen der „Zusatzinhalte“ doch verstehen. Die beiden Kapitel die einzeln gekauft  je rund vier Euro als DLC kosten und direkt vor dem Finale liegen, bereichern die Story nicht und spielen sich recht zäh, so dass das Herauskürzen Asasssin's Creed 2 eigentlich stimmiger gemacht haben. Bei Die Schlacht um Forli verteidigt man die titelgebende Stadt gegen Angreifer und unterstützt die Herrin Caterina Sforza, in dem man sehr viel kämpft und ihre Kinder rettet. Dabei feuert die gute Dame eine Kaskade an Frivolitäten und Beschimpfungen ab, die im restlichen Spiel nicht einmal ansatzweise vorkommen und deswegen ziemlich deplatziert wirken. Direkt im Anschluss gibt es einen Cliffhanger, der nur mit dem nächsten Zusatzkapitel Fegefeuer der Eitelkeiten aufgelöst wird. Hier wirkt die Handlung noch weit aufgesetzter und bricht die bisherige durchgängige Handlung durch einen bis dato unbekannten irren Mönch auf, der sich eines Artefaktes bemächtigt und damit die Kontrolle in Florenz übernimmt. Die Missionen dieser Erweiterung sind auf neun einzelne Attentate aufgeteilt, die teils absurd einfach zu lösen sind, teils aber auch Köpfchen und das richtige Timing verlangen. Zusätzlich erhält man mit der Erweiterung drei Templer-Verstecke, die etwas Akrobatik erfordern, aber außer den sowieso in Unmengen vorhandenen Geldmitteln nichts weiteres bieten.

Grafisch ist Assassin's Creed 2 bombig. Die Weitsicht und der Detailgrad der Städte kann sich wahrlich sehen lassen. Ich war begeistert, in Venedig über den Markusplatz zu laufen und San Marco zu sehen, den Torre dell’Orologio und den Dogenpalast. Venedig ist eine der wenigen europäischen Städte von Rang und Namen die ich bislang besucht habe und ich konnte alles wiedererkennen. Durch die Markuskirche zu hüpfen und Schalterrätsel zu lösen gewinnt unheimlich dazu, wenn man selbst einmal durch die Hallen dieser Kirche geschritten ist. Auch dass Ezio irgendwann eine Bewohnerin der Stadt fragt, wie sie mit diesem Gestank leben können, weckte wieder einiges an Erinnerungen... Neben dem realitätsnahen Nachbau der Städte trifft man auch eine große Zahl historischer Gestalten. Leonardo da Vinci wird sogar zu einem wertvollen Verbündeten, der die gefunden Seiten des Assassinen-Codex für uns entschlüsselt, unsere Klingen aufwertet und uns sogar einen (biestig zu steuernden) Flugapparat zur Verfügung stellt! Und als Politologe habe ich mich auch sehr über den Auftritt von Niccolò Machiavelli gefreut, der später eine wichtige Rolle bei der Ausbildung Ezios spielt. Dabei müssen auch die tolle Musik und die noch großartigeren Sprecher der englischen Version gelobt werden, welche die durchgängig tollen und bisweilen extrem witzigen Dialoge stimmig vertonen. Es ist bisweilen etwas irritierend, dass selbst banale Wörter durch ihre italienischen Äquivalente ersetzt werden, wie etwa Mercenary (Söldner) durch mercenario. Da bisweilen ganze Sätze auf italienisch gesprochen werden, empfehle ich sehr, die Untertitel einzublenden, da dort zusätzlich noch die Übersetzung zu finden ist.

Gamerscore-Jäger können zufrieden sein, denn die meisten Erfolge können problemlos beim Durchspielen erlangt werden. Einige erfordern jedoch etwas Zeitaufwand, sind jedoch nicht schwierig zu verwirklichen, wie etwa 300 Florentin zu klauen oder 5.000 Florentin bei Kurtisanen auszugeben. Knifflig wird es eher bei den Kampferfolgen, da man z.B. nur selten genug Gegner gleichzeitig hat, um den Erfolg erringen zu können, zehn Gegner ohne Gegentreffen getötet zu haben, was durch die teils chaotischen Kämpfe mit so vielen Beteiligen auch nicht leichter wird.

Assassin's Creed 2 hat mich zuerst überrascht, dann gefesselt und schlussendlich begeistert. Es ist ein sehr freies Action-Spiel mit vielschichtiger und abwechslungsreicher Geschichte, vielfältigen Missionen und einer riesigen Menge an Dingen, die man nebenbei erledigen kann und möchte, wenn man einmal gerade nicht der Haupthandlung folgt. Fans von Schleich-Spielen werden von dem hohen Kletter- und Actionanteil vielleicht enttäuscht sein und auch der Schwierigkeitsgrad dürfte durchaus ein paar Tacken höher liegen, aber insgesamt kann ich das Spiel nur wärmstens empfehlen! In diesem Sinne: Nichts ist wahr. Alles ist erlaubt.


Name: Assassin's Creed 2 – Game of the Year Edition
Genre: Action
Publisher: Ubisoft
Systeme: Xbox 360, PS3, Mac und PC
USK: ab 16
Spielzeit: 25 - 30 Stunden{jcomments on}