Silent Hill 4 - The Room

Nachdem ich vergangene Woche eigens für die Rezi „Enter the Matrix“ sogar noch mal gespielt habe – solche Opfer bringen wir hier, auf der DORP, für euch – kann ich mit Freude vermelden, dieses Mal noch mal einen richtig guten Titel auf die Schublade gelegt zu haben.

Worum geht es? Nun, als der Protagonist des Spieles „Silent Hill 4“ eines Tages erwacht, macht er eine bizarre entdeckung: seine Türe wurde mit massiven Ketten verrammelt und verriegelt. Von innen! Und als er sich ein Wenig in seiner Wohnung umschaut, so entdeckt er noch etwas Eigenartiges, denn in seinem Badezimmer ist ein seltsames Loch in der Wand zu sehen.
Da die Fronttüre ohnehin voerschlossen ist, beschließt er, einmal zu schauen, ob er durch diesen Schacht wohl in die Freiheit gelangen kann ... doch ebnet ihn dieses Loch nur den Weg in das vielleicht verstörrendste Abenteuer der Geschichte des Survival-Horror-Genres.

 

Schon in der ersten Sekunde erkennt man, dass bei „The Room“ vieles anders ist, als bei den Vorgängern der Reihe oder allgemein Titeln des Genres. Innerhalb eurer eigenen vier Wände steuert sich das Spiel aus der Egoperspektive, was leider in Sachen Steuerrung etwas zu holprig geraten ist. Vor allem nervt es, dass anders als bei den gängigen Shootern sowohl mit dem linken als auch dem rechten Analogstick Links- und Rechtsdrehungen durchgeführt werden, seitwärts gehen dagegen unmöglich ist.
Dafür ist es einfach stimmungsvoll, durch die realistisch eingerichtete Wohnung zu schleichen und seltsame Dicke zu entdecken. Subtil lenkt das Spiel nämlich euren Blic, auf neue oder manipulierte Objekte, so dass ihr fasst immer den Eindruck habt, ihr würdet diese Entdeckungen selbstständig machen.
Ein Beispiel gefällig? Nun, recht zu Beginn marschiert ihr durch die Wohnung, als das Spiel die Kamera etwas zur Seite auf eine Kommode neigt. Nur ganz subtil – doch wenn ihr diese dann betrachtet, so stellt ihr fest, dass diese verschoben wurde.
Auch interessant ist es, dass ihr zwar nur durch das Loch aus dem Raum kommt, jedoch andere Wege existieren, die Außenwelt zu beobachten. Der Türspion oder eure Fenster etwa, oder aber auch ein Loch in der Wand zum Schlafzimmer eurer schönen Nachbarin.

Kriecht ihr dagegen durch das Loch, so schaltet das Spiel in die aus den Vorgängern – und unzähligen anderen Genretiteln – bekannte 3rd Person um. Da steuert sich das Spiel schon wesentlich besser, zumal auch die Kamera in Maßen neu justiert werden kann, um jederzeit für eine optimale Übersicht zu sorgen.
Wer allerdings glaubt, das Loch führe einen nun auf direktem Wege in das neblige Silent Hill, der irrt etwas. Denn vielmehr gelangt ihr immer wieder in andere Gegenden, wo ihr eine kleine Aufgabe zu erfüllen habt, nach deren Abschluß ihr wieder in den Raum zurückkehrt. Danach hat sich das Loch verändert und führt an einen anderen Ort. Doch auch während der Abschnitte ist die Rückkehr, durch entsprechende Löcher in den Leveln, möglich. Dabei reist ihr in der Spielwelt immer zurück in die Wohnung, von der Wohnung aus dagegen immer zu dem Loch, in das ihr gerade geklettert seit. Das ist teilweise sogar wichtig, um die kleineren Rätsel zu knacken.
Auch hier ein Beispiel relativ vom Anfang: Ihr habt gerade ein wichtiges Artefakt zum Weiterkommen an anderer Stelle geborgen. Doch stellt ihr fest, dass es verflucht ist und ihr eine bestimmte Passage damit nicht durchqueren könnt. Also zurück zum Loch, in eure Wohnung, das Objekt in die Truhe gelegt, zurück in die andere Welt, an der Passage vorbei, durch ein anderen Loch zurück in die Wohnung und mit dem Artefakt ausgestattet wieder in das Loch, um weiter zu kommen. Das hat mir vom Design her sehr gut gefallen.

Design ist auch ein gutes Stichwort und gleichzeitig auch wieder ein klarer Pluspunkt des Spiels. Sowohl die Locations als auch die Gegner sind verstörend. Die Orte sind alle abgelegen, wirken alle fremd, ohne absurd zu sein. So gibt es etwa einen Wasserturm, eine düstere Version des eigenen Wohnhauses, einen gruseligen Wald oder auch ein Krankenhaus zu besuchen, die prinzipiell so aufgebaut sind, wie es normale Orte tun, aber durch ihre rostig-dreckigen Texturen, schiefe Kameraperspektiven und andere Details „entrückt“ werden.
Dazu kommt noch eine Soundcodierung direkt aus der Hölle. Ich weiß nicht, wie man das bei Konami angestellt hat, aber die unheimlichen Geräusche, die oft zu hören sind, klingen fremd und nicht abgemischt.
Die Gegner letztlich bieten das typisch-bizarre Design, für das die Reihe ja auch so berühmt ist. Verstörend, abstoßend, irgendwie unmenschlich und extrem sind die bizarren Kreaturen, die einem – wiederum auch durch die gute Inszenierung – richtig an Mark und Bein gehen können.

Dabei profitiert das Spiel natürlich auch von seiner detaillierten Grafik, die allerdings stellenweise leider sehr statisch ist. Die Personenmodelle sind großartig. Die Bartstoppeln des Hauptcharakters sind ebenso zu erkennen wie einzelne Haare auf seinem Kopf; die schulterlangen Haare der Nachbarin wogen sogar realistisch hin und her.
Die Umgebung dagegen ist vollkommen unbeweglich. Geht man durch Türen, wird das Bild kurz schwarz und eine Blende später steht man dahinter; Kisten stehen herum wie festgenagelt, kein Fensterladen weht im Wind und Vorhänge sind offenbar aus Plastik gefertigt. Das ist leider anno 2005 nicht zeitgemäß und war schon besser zu sehen.
Schade ist auch, dass die Engine, die wohl vom Vorgänger übernommen wurde, dort, wo es keinen Nebel gibt, klare Grenzen hat. Das meine ich wörtlich. Wenn man etwa recht zu Beginn durch eine U-Bahn-Station läuft, dann findet man immer wieder Gänge, die in vollkommener Schwärze enden. Geht man hinein, dann kommt ein Ladebildschirm und plötzlich geht der Gang einfach weiter. Auch 2005 schon schöner gesehen.
Was dagegen gefällt ist der Verzerr- und Rauschfilter, der reihentypisch auf allem – vor allem den Zwischensequenzen – liegt.

Das größte Problem das Spieles allerdings ist eine ganz besonders elegant gemacht Variante des alten Backtracking-Problems. Hat man grob zwei Drittel der Handlung hinter sich gebracht, schlägt das Spiel einen Bogen und führt einen unerwartet zurück zur ersten Location. Dort kann man nun Dinge erledigen, die vorher nicht zu erledigen waren – und das setzt sich so für eigentlich jeden spielrelevanten Abschnitt fort.
Mir hat das gar nicht zugesagt, führt es doch dazu, dass man ab einem gewissen Punkt „alles gesehen“ hat und nur noch neue Wege in bekanntem Terrain auskundschaftet. Zwar folgt man nicht den gleichen Wegen wie zuvor, aber eine gewisse Abnutzung zeichnet sich einfach ab.

Das ist ein Makel, mit dem man sicher leben kann. Gerade im Vergleich zur großen Konkurrenzserie „Resident Evil“ lässt „Silent Hill 4: The Room“ eigentlich alles bis auf deren vierten Teil sehr, sehr alt aussehen. Die dichte Atmosphäre und das gelungene Storydesign überzeugen und lenken den Blick gekonnt von einigen Kinderkrankheiten wie der erwähnten Statik oder der einfach hakeligen Steuerung in den 1st Person-Abschnitten fort.
Ob man aber nun ein potentieller Kunde für Konamis Alptraumgeschichte ist, muss jeder selber wissen. Der Plot ist verworren und gemahnt an David Lynch-Filme – wem dieser Stil nicht zusagt, der ist falsch. Ebenso alle, die eben doch eher von der empfindlich-ängstlichen Sorte sind.
Wer nun aber einen wirklich grotesken Survival-Horror-Trip erleben möchte, der kommt an „The Room“ doch nicht vorbei.


Survival Horror{jcomments on}
X-Box
Konami
Auch für PS2 erhältlich