Lost Planet - Extreme Condition

Lost Planet erschien kurze Zeit nach Gears of War und musste sich natürlich den Vergleich zu dem brutalen Actionfeuerwerk gefallen lassen. Dabei ist ein Vergleich etwas unfair, denn beide Spiele bedienen unterschiedliche Zielgruppen.

Der größte Unterschied ist wohl in den Settings zu finden. Während man bei Gears of War gegen die Locust auf dem eigenen Planten kämpft, sind bei Lost Planet die Menschen die Aggressoren, welche in den Lebensraum der Aliens eindringen. Auf dem eisigen Schneeplaneten E.D.N. III ist das Überleben der Menschen nur möglich, wenn sie Thermalenergie gewinnen, die sich zufälligerweise auch in den Körpern der insektoiden Akrid findet. Diese fiesen Viecher sind überall auf dem Planeten zu finden, wobei diese Rasse äußerst variantenreich ist. Von kleinen dreibeinigen Kugelfängern, über gepanzerte Rollkäfer von der Größe eines LKWs, bis hin zu fliegenden Riesenmotten findet sich eine ganze Reihe von Viechern, die man auch in Starship Troopers hätte finden können. Die sehr gut animierten großen Brocken haben leuchtend rote Stellen am Körper, an denen man ihnen Schaden zufügen kann, der Rest ist in der Regel zu stark gepanzert, um sie verwunden zu können. Leider erfährt man während des Spiels praktisch nichts über den eigentlichen Hauptgegner.

Die Steuerung ist intuitiv und geht leicht von der Hand. Die Spielfigur bewegt man mit dem linken Stick und mit dem rechten schaut man sich um. Problematisch wird nur, wenn man sich innerhalb eines Battlesuits befindet. Man nimmt eine herumliegende Waffe mit der B-Taste auf, ebenso wie man mit der B-Taste aus dem Anzug steigt. Wenn man neben dem Kampfanzug steht und einsteigen will, was man ebenfalls mit der B-Taste tut, hat man bisweilen auch schon mal eine der Waffen des Battlesuits aus Versehen abmontiert, denn das klappt auch mit B.

Der Spielablauf ist ziemlich simpel. Man startet irgendwo und muss irgendwo anders hin. Zwischen diesen beiden Punkten gilt es Horden von stumpfsinnigen Gegnern mittels der mitgeführten Waffen oder eines der zahlreichen Mechs entweder auszuschalten, oder sie zu ignorieren und weiterzulaufen. Das ganze wird immer wieder von englischen Zwischensequenzen mit deutschen Untertiteln unterbrochen, welche die Charaktere vertiefen soll und die Handlung vorantreibt. Die Action im Spiel ist ziemlich gut gelungen, denn die Spielfigur Wayne Holden, die übrigens von dem koreanischen Schauspieler Lee Byung Hu dargestellt wird, verliert konstant Thermalenergie, die als Lebensenergiereserve fungiert. Die Lebensanzeige funktioniert ähnlich wie der Schild in Halo 1. Wird man getroffen, verliert man zunächst Lebensenergie, die aber nach kurzer Pause mit Thermalenergie aufgeladen wird. Neue Thermalenergie gibt es in Tanks, von Gegnern und von Thermalstationen, die auch als Wegweiser innerhalb einer Mission fungieren. Durch die ständig sinkende Thermalenergie muss man immer in Bewegung bleiben und weitere Action und Explosionen suchen. Diese sind auch richtig toll gelungen! Riesige Explosionen füllen den Bildschirm, gigantische Bossgegner wackeln mit Tentakeln und schießen Raketen und die Soundeffekte machen passenden Krach dazu. Technisch ist der Titel also vorne dabei, auch deswegen, weil die Xbox trotz Gegnermassen, Explosionen und Ballereien nicht ruckelt. Schön ist auch, dass sich sehr viele Gegenstände in der Spielwelt zerstören lassen; man sollte sich also nicht all zu sehr auf seine Deckung verlassen.
Der Schwierigkeitsgrad ist innerhalb der Level sehr variabel, aber selbst auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad fordernd. Und mit variabel meine ich, dass die Levels teilweise aufgrund der hundsmiserablen Gegner-KI stellenweise belanglos einfach und bisweilen durch schiere Unfairness schwierig sind. Es kommt erschwerend hinzu, dass freies Speichern nicht möglich ist, sondern das Spiel an vorgegebenen Punkten automatisch speichert. Diese Speicherpunkte sind sehr unterschiedlich gesetzt, so dass man entweder direkt vor der problematischen Stelle anfangen, oder bisweilen zehn oder mehr Minuten wiederholen muss. Hervorzuheben ist noch Waynes Enterhaken, den er benutzen kann, um sich auf Felsvorsprünge und ähnliches hochzuziehen und abzuseilen. Das letzte ist aber witzlos, da man keinen Fallschaden erleidet. Apropos fallen... nach jedem Treffer zuckt die Spielfigur zusammen und ist kurzzeitig nicht mehr zu steuern. Richtig extrem wird dies, sobald man einen schweren Treffer wie von einer Explosion erleidet. Dann fliegt Wayne durch die Gegend und rappelt sich nur sehr langsam wieder auf. Größere Gegner nutzen die Zeit auch gerne, um ihre schweren Waffen nachzuladen und einem die nächste Explosion um die Ohren zu jagen, sobald man wieder steht. Die Explosionen sehen zwar, wie erwähnt, ziemlich schnieke aus, behindern aber immer mal wieder extrem die Sicht. Gerade wenn man mit Raketen beschossen wird, sich gerade wieder aufrappelt und sich durch den Qualm eine weitere Rakete fängt, ist man fast soweit frustriert in den Controller zu beißen, was ohnehin bei diesem Spiel öfter geschehen dürfte. Etwas sicherer ist man in den sogenannten Vital Suits, eine Art Minimech, bzw. Battlesuit. Diese meist humanoiden Vehikel wurden für den Kampf gegen die insektoiden Akrid entworfen und nehmen meist bis zu zwei schwere Waffen auf, mit denen man viel Schaden anrichten kann. Von diesen Vital Suits findet man im Spielverlauf eine ganze Menge, oftmals auch an völlig absurden Stellen. So ist es beispielsweise ausgesprochen nett von den Aliens, ihre riesigen Bossmonster immer in der Nähe von kleineren Vital Suit Sammelstellen auftauchen zu lassen. Andererseits ist es mir völlig unverständlich, wieso man einige diese Vital Suits auf einem derart lebensfeindlichen Planeten ohne Kanzel ausstattet, oder wieso derartig viele funktionsfähige Maschinen unter Schnee begraben liegen, während Schneepiraten und andere mögliche Piloten dumm-glücklich daneben stehen. Es gibt verschiedene und auch abwechslungsreiche Modelle, mit Nahkampfwaffen, verschiedenen Waffenslots, besonderen Sprung- und oder Verwandlungsmöglichkeiten. Insgesamt stellt man sich hier die Frage, welche Art von Spiel die Entwickler eigentlich wollten, denn man verbringt derartig viel Spielzeit in diesen wandelnden Panzern, dass die Einsätze außerhalb der Kisten schon fast Ausnahmen sind. Gerade für die fulminanten Bosskämpfe braucht man die Vital Suits fast immer, auf jeden Fall deren Waffen, denn Wayne ist aus irgendeinem Grund in der Lage, eine der gigantischen Vital Suit-Waffen zu tragen und abzufeuern. Wieso er so etwas kann, wird nicht erklärt. Wie eigentlich alles in dem Spiel.

Grundsätzlich geht es in dem Spiel später darum, den Konzern NAVEC daran zu hindern, den Eisplaneten zu terraformen. Warum will man sie daran hindern? Weil dabei alle Lebewesen auf dem Planeten sterben würden, also die Akriden und Eispiraten, welche man ohne wirklichen Grund das ganze Spiel über niedergemetzelt hat. Das ist aber nur ein Beispiel für die wirklich ärgerliche „Handlung“ des Spiels. Lost Planet schafft es nämlich, sich bereits im drögen Vorspann während der Vorgeschichte zu widersprechen. Dort wird zunächst behauptet, dass die Menschheit die Thermalenergie der Aliens nicht nutzen könnte, nur um dann die Wiedereroberung des Planeten durch die Menschen mit der Gewinnung der Thermalenergie zu erklären. Und so geht es immer weiter. Zwischenzeitlich erfährt man, dass man zwischen erster Mission und dem Rest des Spiels 30 Jahre lang in seinem Vital Suit lag. Achso. In der gleichen Zwischensequenz kommt auch einer meiner Lieblingsdialoge, der mich tatsächlich schmerzlich hat aufstöhnen lassen. Während man Waynes alten Vital Suit findet und in Stand setzt, erklärt die blöde Frau, dass die Maschine alt ist, es aber schon tun wird. Darauf labert ihr noch blöderer Bruder, dass der Vital Suit einige Modifikationen hat und der wohl modernste Suit überhaupt wäre. Ahja... die seit 30 Jahren im Schnee liegende Maschine ist also der modernste Suit, so so. Richtig schmerzhaft wird es dann aber am Ende, wenn ein geheimnisvoller Wissenschaftler aus irgendeinem Grund eine Scheibe baut, die man sich in den Cyberarm einsetzen kann und die dafür sorgt, dass der besagte Suit sich transformiert. Ja, der Minimech verwandelt sich, weil der Träger eine Scheibe in seinen eigenen Körper einbaut. Damit hat der Suit angeblich erst sein volles Potential erreicht. Ne, ist klar. Ich baue den besten Suit der Welt, der aber noch viel besser ist, weil da viele Elemente sich erst zeigen, wenn ein Träger irgendwann irgendwas trägt. Aaargh! Dass selbst der ultimative Suit natürlich schlechter ist als der Suit des Endbosses versteht sich von selbst. Der große Bossgegner am Ende des Einführungslevels tötet übrigens Waynes Vater und wartet dann satte 30 Jahre in der gleichen Stadt darauf, dass wir irgendwann wieder vorbeikommen und ihn killen. Natürlich hat dieses riesige Monster die Zeit nicht genutzt, um beispielsweise die halbe Stadt in Schutt und Asche zu legen...
Lost Planet ist eines der unstimmigsten Spiele die ich jemals gespielt habe, es stimmt fast nichts. Das ist zum einen immer wieder handlungsbedingt. Geh mal raus und töte Schneepiraten? Wieso? Die haben irgendwas. Wer sind denn die? Och, Menschen, die bei der ersten Evakuierung da geblieben sind. Hä? Wovon leben die? Und wieso haben die Akriden-Nester IN ihrer Basis? Wieso stehen in den Ruinen Autowracks herum, die überhaupt nicht für Schneelandschaften geeignet sind? Dass man Thermalenergie in der Schneelandschaft verliert verstehe ich ja, aber wieso auch im Inneren eines verdammten Vulkans, während man neben Lava läuft? Das große Problem ist, dass sich das Spiel dabei völlig ernst nimmt.
Insgesamt ist man im mittleren Schwierigkeitsgrad etwa zehn Stunden mit den elf Leveln des Spiels beschäftigt. Wem das zu wenig ist, dem steht ein umfangreicher Multiplayermodus zur Verfügung, den ich ohne Xbox Live schwerlich ausprobieren konnte. Jedenfalls sind viele weitere Multiplayerkarten inzwischen kostenlos im Internet zu beziehen, welche die acht Karten des Grundspiels ordentlich erweitern. Bis zu 16 Zocker treffen sich online, um in Schneelandschaften simple Eliminationsmatches oder auch anspruchsvollere Team- und Eroberungsschlachten zu schlagen.

Für Gamerscore-Jäger ist das Spiel nicht sonderlich befriedigend. Für jedes der Level gibt es nach dem Abschluss ein Achievement. Zusätzlich sind in jedem Level einige Münzen versteckt, die ebenfalls ein Achievement geben, wenn man alle finden konnte. Das ist im Übrigen bockschwer, denn die Münzen sind extrem gut versteckt. Nach dem Durchspielen kann man die Level einzeln auswählen, um sich erneut auf die Jagd nach den Münzen und Monstern zu begeben. Besondere Achievements erhält man, wenn man in zwei der Levels besonders riesige Gegner abknallt, obwohl man an ihnen locker vorbeilaufen kann. Das Achievement für den Riesenwurm, man denke einfach an einen Sandwurm im Schnee, habe ich sogar nur dafür erhalten, gegen den Wurm zu kämpfen, besiegen musste ich ihn nicht. Schlussendlich gibt es noch einige lohnende Achievements für Multiplayergefechte, sowie ein ganz dickes, wenn man das Spiel im nahezu unschaffbaren Schwierigkeitsgrad Extrem durchspielt.

Ich habe einen hirnlosen Shooter erwartet, in dem ich mich durch Horden von riesigen Viechern ballere. Das bekommt man zwar geboten, doch hätte ich niemals erwartet, dass mir die schlechte Handlung einmal den Spielspaß verderben könnte. Die Grafik und die Soundeffekte sind sehr gut, doch kann das nicht von dem eintönigen Spielablauf ablenken, der nur durch Bosskämpfe unterbrochen wird. Wer sowieso Zwischensequenzen abbricht und sich gerne durch ähnliche Level mit zufällig platzierten Gegnern schießt, der sollte Lost Planet ausprobieren, der Rest kann das Spiel getrost vergessen.


Actionspiel
Shooter{jcomments on}
Xbox 360
CAPCOM