Halo 2
„Halo“ war einer der Kaufgründe für die X-Box und auch wenn eine ganze Weile später eine Umsetzung für Heim-PCs folgte, so ist das Spiel um den Master Chief bis heute eigentlich ein Grund, mal die große, schwarze Kiste der Entwickler aus Redmond an den Fernseher zu klemmen.„Halo 2“ wurde entsprechend lange erwartet und herbeigesehnt, im Vorfeld mit massivem Lob überhäuft und dann auch in der Regel euphorisch bewertet. Wir haben nun den Luxus, lange nach den ‚aktuellen‘ Tests und nach mehrmaligem, ruhigem Durchspielen ein Fazit ziehen zu können und, soweit es mich betrifft, bin ich in diversen Punkten recht enttäuscht.
Erst einmal stellt man fest, dass vieles beim Alten geblieben ist. Primär steuert man in „Halo 2“ auch wieder den Master Chief durch die Level, ein Charakter, der den Begriff „flache Persönlichkeit“ nach wie vor neu definiert.
Es ist halt erst einmal ein Egoshooter und als solcher bekommt man vieles, was man so erwartet. Der Chief hat dazugelernt und kann jetzt bei kleineren Waffen zwei Stück gleichzeitig führen und kriegt einige neue Flitschen in die Finger. Er hat einen neuen Schutzschild in seiner Rüstung, der merklich weniger effektiv ist als der aus dem ersten Teil, was zwar jetzt inhaltlich nicht wirklich Sinn macht, das Spiel aber wieder spannender werden lässt.
Definitiv neu sind dagegen die Einblicke in die Welt der Aliens, was soweit geht, dass recht früh im Spiel ein zweiter Hauptcharakter eingeführt wird. Denn auch die Aliens haben jetzt einen Champion, den man in diversen Abschnitten verkörpert, der aber leider nie wirklich in einem Level auf seinen Gegenpart stößt. Daher gibt es nun auch die Energieklingen der Aliens als benutzbare Waffe!
Doch da beginnen schon die Tücken. „Halo“ faszinierte wegen seinem interessanten Setting und seiner dabei sehr stimmigen Story. Die war nicht gerade von Shakespeare, aber nachvollziehbar und ja schon recht spannend.
„Halo 2“ schießt mir dagegen an vielen Punkten wahlweise über das Ziel hinaus oder aber daran vorbei. Das beginnt mit enttäuschten Erwartungen – so wurde in der ganzen Werbekampagne immer propagiert, dass man die Alieninvasoren nun auf der Erde bekämpfen könnte. Das ist nicht ganz falsch und man darf in den ersten Leveln entsprechend Städte vor der Allianz retten, doch dann passiert, was nicht hätte sein sollen. Ein neues Halo wird entdeckt und schon machen sich alle dorthin auf, weshalb ein guter Teil des Spieles wieder auf einer solchen Ringwelt spielt. Da gibt es dann Ärger mit der Flood, dieses komische, fliegende Roboterteil darf wieder auftreten und, oh Schreck, die Aliens wollen den Ring aktivieren!
Das ist ärgerlich. Ärgerlicher ist sicherlich der Eindruck, dass die Macher hier erst einmal einfach alles auf „mehr ist besser“ gesetzt haben. Die Spitze des Eisbergs ist sicherlich der Charakter „Gravemind“, auf den ich hier nicht weiter eingehen mag, der mich aber schlichtweg stirnrunzelnd vor dem Monitor zurückgelassen hat. Da schlägt die Story ein paar Haken, denen man eigentlich nur hypothetisch folgen kann.
Am Ende dann steht, das ist sicherlich der wüsteste Schlag ins Gesicht des Spielers, ein Cliffhanger. Ein richtig unbefriedigendes Ende mitten in der Handlung, die ihre Fortsetzung wohl erst auf der X-Box 360 in „Halo 3“ finden wird.
„Es war eine zeitbedingte Entscheidung“ soll man von Bungie dazu mal gehört haben. Schon klar – aber warum sind dann die ganzen Stadt-Erde-Levels, die man etwa in den Messedemos noch gesehen hat, alles nicht enthalten? Man wird das Gefühl nicht los, hier trotz der absurd verquollenen Story nur ein halbes Spiel gekauft zu haben.
Aber wen interessiert die Story, wenn das Gameplay wenigstens rockt ... doch auch technisch stolpert „Halo 2“ in einigen Punkten recht wüst umher. Zunächst einmal wirkt die Engine irgendwie unfertig. Derartig offensichtliches Mipmapping (d.h. der Austausch von niedriger aufgelösten gegen höher aufgelöste Texturen bei Annäherung an Objekte) habe sich seit langer, langer Zeit nicht mehr gesehen. Da ploppt und schwimmt es überall um die Spieleraugen herum, wie ich es glaube ich zuletzt in „Dark Forces 2: Jedi Knight“ erlebt habe. Anno neunzehnhundertirgendwann.
Da die Texturen für neue Level zudem im Hintergrund der Ingame-Cutscenes nachgeschaufelt werden, glaubt man manchmal, einen Kulissenaufbau mitzuverfolgen. Da kann man Wäldern buchstäblich beim Wachsen zusehen.
Doch wer etwas zu flott unterwegs ist, kann an einigen Punkten sogar der Engine etwas davonlaufen und noch mehr Texturschwimmen beobachten. Das ist nicht schön; es stört den Spielfluss zwar an keiner Stelle, ist aber dennoch natürlich unbefriedigend.
Störender sind da schon eine Macken in der eigentlichen Benutzerführung. Einerseits besitzt „Halo 2“ einen sehr starken „Fadenkreuzmagnetismus“, also eine sehr wuchtige Zielhilfe. „Ist doch toll!“ rufen einigen, übersehen aber ein Problem – manchmal übermannt diese Hilfe den Spieler regelrecht. Mehrfach in bin ich Abgründe gelaufen, weil mein Fadenkreuz mich zu irgendeinem billigen Gegner drehte. Oder aber ich konnte einen riesigen Kerl nicht richtig beschießen, weil meine Zielhilfe lieber den anderen anvisiert hätte.
Nervig ist auch etwa das Handling von Waffenwechseln, wenn man zwei Waffen gleichzeitig führt. Anders als bei Genrekollege „Goldeneye“ ist es etwas fummelig geraten, hier elegant durchschalten zu können und gerade wer als Waffe auf dem Rücken etwas führt, was beide Hände braucht, wird manchmal in wilder Rotation verzweifeln und nachher doch wieder irgendeine Wumme vom Boden neu auflesen müssen.
Auch das alte Designproblem der ewig gleichen Räume wurde nicht zur vollen Zufriedenheit behoben. Zwar ist Backtracking selten angesagt, aber das macht ja nichts, wenn manchmal drei, vier oder fünf Mal exakt die gleiche Raumfolge am Stück abgespielt werden?
Das hilft einem zudem natürlich auch nicht darüber hinweg, dass sich das Spiel halbiert anfühlt.
Das sind alles keine rettungslos verdammenden Pannen, aber es sind einfach zu viele davon. Das Gameplay an sich ist durchaus gut und das erste Drittel rund um die Invasion spielt sich auch gut herunter. Wenn die Story aber immer esoterischer wird, der anziehende Schwierigkeitsgrad die Probleme im Handling betont und die Grafik immer mal wieder hustet, dann ist man irgendwie enttäuscht.
„Halo 2“ ist kein schlechter Shooter geworden, er spielt sich in Teilen sogar ausgesprochen gut. Aber an den Vorgänger kann er nicht heranreichen – die Eleganz und Perfektion des ersten Teiles wird weder inhaltlich noch technisch erreicht.
Wer „Halo“ mochte, wird das Sequel auch gerne spielen. Aber so selten es bei Videospielen in direkter Folge eigentlich ist – hier wurde meines Erachtens zu vieles verschlimmbessert.
Gut, aber kein Brecher wie Teil 1.
Action{jcomments on}
Bungie, Microsoft Game Studios
Exklusiv für die X-Box