Baphomets Fluch 3 - Der schlafende Drache

Ich muss etwas gestehen – seit 1996 bin ich verliebt. Nein, nicht in einen Menschen, nicht mal in ein Lebewesen. In ein Spiel. Seit ich Weihnachten 1996 „Baphomets Fluch“ auf dem PC gespielt habe, waren Adventures einfach nicht mehr das gleiche.
In der Rolle von George Stobbart, der zufällig in den Rad

ius eines Bombenattentats gerät, schnüffelte ich den wahren Tätern hinterher, folgte ihnen aus dem herbstlichen Paris u.a. nach Syrien, nach England und andere, faszinierende und zumeist europäische Locations. Eine Art Neo-Templerorden steckte dahinter und in einem dramatischen Finale gelang es mir, zusammen mit der Reporterin Nico, ihre Machenschaften zu verhindern.
Formidable Zeichentrick-Grafik ohne jedweden Makel, wunderschöne Locations, peppige Dialoge mit viel Witz und Charme, ulkige Charaktere und eine fesselnde Story irgendwo zwischen Geschichtslehrgang und Indiana Jones ließen mich nicht locker.

 

Acht Jahre ist das nun her. Der zweite Teil der Reihe glänzte mit der gleichen Optik und erhielt viele Tugenden des Orignals bei, verlor allerdings auch etwas durch nervige Puzzles und umständliche Sequenzen, die das Spiel zwar näher an die ursprünglichen Knobelbrocken der frühen 90er brachten, aber zugleich etwas den „gespielten Thriller“-Charakter des Vorgängers minderten.
Als dann aber 2003 mit „Der schlafende Drache“ der dritte Teil der im Original „Broken Sword“ getauften Reihe erschien, war der Ausruf „Sakrileg!“ allernorts zu hören. 3D-Grafik löste die wunderbar gezeichneten Orte des Vorgängers ab und trat zusammen mit den Schlagwörtern „Kisten-Schiebe-Rätsel“, „Action-Events“ und „Schleich-Einlagen“ auf.
Daher sollte es auch noch eine Weile dauern, bis ich mir das Spiel doch einmal zulegte – da spielte ich lieber Teil eins auch ein siebtes oder achtes Mal durch. Doch Weihnachten 2004 war es dann soweit und ich wagte mich doch einmal an den umstrittenen Titel ... nicht letzt, weil er preislich mittlerweile im einstelligen Bereich angekommen war.

Startet man das Spiel, so wird man mit gemischten Gefühlen empfangen. Die Musik gleicht der der Vorgänger, die Sprecher sind die gleichen und die englische Sprachfassung begeistert eine sogleich wieder mit unzähligen Akzenten. Die Grafik dagegen wirkt auf den ersten Blick schon furchtbar. Die 3D-Enginge kann die Zeichentrick-Grafik nicht einmal im Ansatz ersetzen, doch dazu komme ich später zurück.

Denn heute will ich doch mal pädagogisch vorgehen und mit den positiven Aspekten anfangen. Da kommt zunächst einmal die Atmosphäre ins Spiel. Nachdem das Intro dem Kenner bereits angedeutet hat, dass die Templer wohl doch noch nicht ganz außer Gefecht sind und man mit George einige eher banale Rätsel gelöst hat, schaltet das Spiel herüber nach Paris.
Nico ist für ihre Zeitung mit einem Hacker verabredet, doch der ist tot. So kann das Spiel auch gleich alle seine Muskeln spielen lassen: mysteriöse Vorgänge, eine Leiche und viele absurde Charaktere, mit denen man reden kann. Das gilt so auch für England, welches George später noch besuchen soll...
Auch gefallen, gerade zu Beginn, die Rätsel durch ihre Logik. Keine Absurden Gegenstand-Kombinationen, sondern vielmehr Aktionen wie „um an den Schlüssel zu gelangen, drücke ihn mit dem Bleistift durch das Schlüsselloch, nachdem du die Zeitung unter der Tür durch geschoben hast“.
Der selbstironische Charme der Charaktere bleibt auch bestehen, gerade George ist immer wieder gut darin, sich für bestimmte Dummheiten zu beschimpfen – Dummheiten, die selbstredend auf dumme Befehle des Spielers zurückgehen. Aber mit Bemerkungen wie „Der Safe war verschlossen. Nun, bei näherer Betrachtung war das auch nicht wirklich überraschend...“ oder einem herzlichen „What a dumb-ass thing to do!“, nachdem er einen heißen Bühnenscheinwerfer angefasst hat, wird das Spiel beständig erfrischend gehalten.

Zuletzt definitiv ein Pluspunkt ist die Story an sich, die wesentlich mehr Verbindungen zum ersten Teil aufweist, als es beim ersten Sequel der Fall gewesen war. Alleine an Nebencharakteren trifft man allerlei bekannte Gesichter, etwa den Templer-Schergen Flap, aber auch einfach lustige Nebencharaktere wie den Bauarbeiter Flobbage wieder.
Wer das Spiel aufmerksam spielt, kann viele Anspielungen auf die ersten Spiele entdecken. So verspricht ein „Elder Sign“ (ja, richtig gelesen, Cthulhu-Fans) in einem Esoterik-Laden Schutz vor Göttern. Wer den zweiten Teil gespielt hat, der weiß, warum George meint, er habe dies vor einigen Jahren gebrauchen können.
Noch direkter wird es etwa in der Wohnung eines Hackers, der das Cover des ersten Spiels bei sich an der Wand hängen hat oder in Nicos Appartment, in dem ein Foto von George steht. Das Bild ist ein Screenshot aus dem ersten Teil, komplett in der alten Optik gehalten.

Aber wo Licht ist, da ist auch Schatten – und leider spendet der schlafende Drache recht viel davon. Zunächst einmal werden Adventure-Fans sicherlich an der Steuerung zu knabbern haben. Selbst die PC-Version kommt mit einer direkten Gamepad-Steuerung daher, die Maus bleibt, wo sie ist. Zwar funktioniert das System weitaus besser als in ersten 3D-Adventure-Gehversuchen wie „Grim Fandango“, da alle interessanten Objekte zumindest hervorgehoben werden, dennoch bleiben einige Sachen fragwürdig. Manches Mal wird man geradezu wahnsinnig, weil man zwar weiß, wie ein Rätsel zu knacken ist, nicht aber, wie man das dem Spiel mitteilen soll.
Gut dagegen gefällt die Interaktion mit Nico. Begleitet diese George, so ist sie in seinem Inventar enthalten und kann, wie ein Gegenstand, mit anderen Objekten kombiniert werden. „Benutze Nico mit Schalter“ führt demnach dazu, dass George sie bittet, den Schalter zu drücken.

In gewisser Weise ist die unpässliche Steuerung aber auch mit der Engine verbunden. Wer auch immer auf die Idee mit der 3D-Grafik kam, gehört geschlagen. Nicht nur, dass der Charme merklich unter der „Polygonisierung“ leidet, das Resultat ist auch technisch gruselig schlecht geraten. Es klippt an diversen Ecken, stockt manchmal komisch und viele Grafikfehler vermiesen die Aussicht. So merkt man häufig Sprünge zwischen unterschiedlichen Animationen, teilweise passen einzelne Objekte auch nicht recht zusammen. Die animierten Gesichter sind furchtbar und hier scheint es weniger eine Gesichtsmuskulatur, als vielmehr eine Gummimasse zu sein, die unter der Haut steckt. Sehr enttäuschend.

Abgerundet wird dieses Klagelied allerdings durch Entscheidungen reinen Game-Designs. So findet man im Laufe des Spiels diverse Gegenstände, für die man schlichtweg keine Verwendung hat. Bei einigen Objekten im Inventar ist mir bis heute nicht bekannt, wozu es sie gab. Andere Gegenstände sind regelrechte Dauerbrenner – gerade die Eisenstange, die George fast zu Beginn findet, hat mir mehrfach gute Dienste geleistet.

Schlimmer als diese Obskurität sind allerdings die Actioneinlagen. Die gibt es in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Eine davon sind Schleich-Sequenzen. Zugegeben, „Splinter Cell“ ist gerade schwer angesagt, „Metal Gear Solid“ auch, doch hier klappt es selten, wie es soll. Insbesondere die unpräzise Steuerung und teils sehr ungünstige Kameraperspektiven machen daraus oft ein regelrechtes Glücksspiel.
Manchmal geht es auch darum, in der richtigen Sekunde den A-Button zu drücken. Man sieht etwa recht früh eine Cutszene, in der Nico von einer Frau bedroht wird. Kurz flammt unten rechts der A-Button auf. Reagiert man rechtzeitig und betätigt ihn, kann Nico dem Schuss entkommen. Tut man dies nicht, stirbt die Reporterin und man beginnt wieder am Anfang der Cutszene. Ist nicht so schlimm wie die Schleichsequenzen, aber entnervend.
Zuletzt bleibt der Endkampf, den ich hier aus Spoiler-Gründen man nur erwähnen will – ist aber auch dank der schwammigen Steuerung recht heikel, wenn auch machbar. Schon „Indiana Jones und das Schicksal von Atlantis“ hat gezeigt, wie man ein packendes Finale über Dialog realisieren kann – warum nicht hier?

Die Kisten-Schiebe-Rätsel sind einfallslos und klar bei „Tomb Raider“ & co. entliehen, funkionieren aber gut. Schlimmer wiederum ist, auch noch im Rahmen des Designs, dass die exotischen Locations oft nur minimal genutzt werden. Die Szenen in Paris und in England versprühen wieder viel Atmosphäre, Prag dagegen (als Beispiel) wird komplett verschenkt. Anstat einweig mit der dortigen Bevölkerung interagieren zu können beamt man direkt zum Ort des Geschehens und muss ein bewachtes Schloß durchlaufen, wie man das seit „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“, 1989/90 nicht mehr gesehen hat.

Abschließend kann man nur sagen, dass „Baphomets Fluch 3“ eine positive Überraschung und, eigentlich gerade deshalb, auch eine herbe Enttäuschung ist. Das Spiel ist gut und fängt, gerade zu Beginn, wunderbar den Charme der ersten Teil sowie klassischer Adventures allgemein ein.
Aber Mängel in Design und Technik sowie bei den gestellten Rätseln ziehen den Titel merklich herunter. Fans der ersten Teile und solche mit unstillbarem Hunger nach Adventures greifen zu, alle anderen spielen das Spiel vielleicht erst einmal Probe. Mir hat es jedenfalls Spaß gemacht und ich habe es recht zügig am Stück durchgespielt, aber man wird das Gefühl nicht los, dass da Potential verschenkt wurde.

Eine abschließende Warnung an die Konsolenspieler: auf beiden Konsolen, PS2 wie X-Box, hat das Spiel unglaubliche Ladezeiten und rattert gerne mal 30 Sekunden zwischen zwei Bereichen. Teilweise sind die sehr groß, so dass es nicht stört, manchmal muss man aber auch ordentlich Geduld mitbringen – gerade in den Schleichmissionen, wo stets neu geladen wird, wenn einen die Wachen kriegen. Darin erschöpfen sich aber auch schon die Unterschiede zwischen den drei Versionen.


Adventure
X-Box
Revolution Studios, THQ{jcomments on}
Auch für PC und PS2 erhältlich